Eine Realsatire der ganz besonderen Art spielte sich gestern im Berliner Senat ab. Der beschloss eine Verschärfung des Nichtraucherschutzes. Was nicht nur ein Dampfverbot beinhaltet, sondern auch ein Rauchverbot in Shisha Bars.
Seit zehn Jahren gilt nun das Nichtraucherschutzgesetz in der Berliner Gastronomie.
Eine Ausnahmeregelung gab es bisher für Shisha Bars, deren ausdrückliche Bestimmung ja nun einmal das Rauchen von Shishas ist.
Die E-Zigarette war bisher ganz von der Regelung ausgenommen.
Gestern wurde im Senat beschlossen, das Gesetz zu verschärfen.
„Es ist längst wissenschaftlich erwiesen, dass Tabakrauch nicht nur denen schadet, die selbst rauchen, sondern auch den Passivrauchern“, sagte die zuständige Senatorin vorab zu den Plänen.
Nichtraucher müssten deshalb geschützt werden, wobei sich das Nichtraucherschutzgesetz bewährt habe. „Nach zehn Jahren aber war es an der Zeit, technische Neuerungen wie E-Zigaretten zu berücksichtigen und überholte Ausnahmebestimmungen wie für Shisha-Bars aufzuheben.“
Fragwürdige Verschärfung
Dilek Kolat von der SPD gehört bereits seit 2011 dem Senat von Berlin an.
Die gelernte Wirtschaftsmathematikerin war vormals für das Ressort Arbeit, Frauen und Integration zuständig. Im derzeitigen Senat leitet sie den Bereich Gesundheit, Pflege und Gleichstellung.
Als Gesundheitssenatorin brachte sie gestern eine Verschärfung des Nichtraucherschutzes ein.
Was grundsätzlich eine unbestreitbar gute Sache ist.
Fragwürdig wird der Vorstoß aber bereits bei dem Verbot des Rauchens auf Kinderspielplätzen.
Denn soll das Gesetz mehr als symbolisch sein, sollte sich demnächst jeder Raucher zuvor informieren, wo die Grenzen seines bevorzugten Spielplatzes verlaufen.
Sicher wird der Senat eine Lösung finden, wie die zuständigen und dauerhaft überforderten Berliner Ordnungsbehörden dies dann durchsetzen werden.
Das gut gemeint oftmals nicht gut gemacht ist, sieht man auch an dem Verbot des Rauchens in Räumen, in denen Kinder betreut werden.
Es ist doch sehr fraglich, in wie vielen Berliner Kindergärten bisher noch geraucht wurde.
Rauchverbot in Shisha Bars
Eine ganz besondere Humoreske hält die Initiative dabei in der nicht-verbeamteten Gemeinsprache bereit. Nämlich das Rauchverbot in Shisha Bars.
Doch während der Berliner noch rätselt, ob eine Shisha Bar, in der Rauchen verboten ist, überhaupt noch eine Shisha Bar ist, ist die tatsächliche Sinnhaftigkeit der Neuregelung an der Logik der Praxis zu messen.
Denn der Betreiber einer Shisha Bar ist lediglich gezwungen, einen abgetrennten Nichtraucherbereich in der Bar einzurichten. Für die schutzbedürftigen Nichtraucher, die seine Räume frequentieren.
Alternativ kann er allerdings eine reine Raucherkneipe anmelden. Die einzige Konsequenz wäre, dass er dann kein Essen mehr servieren darf und der Zutritt nur Volljährigen gestattet ist.
Zu welcher Lösung die meisten Betreiber tendieren werden, dürfte klar sein.
„Momentan verkaufe ich keinen Alkohol. Wenn die das ändern, dann mache ich nur Alkohol und Shisha.“
Moussa Abou-Amche, Betreiber der Xenia Bar, im Gespräch mit rbb24, 11.09.2018
Das dürfte verdeutlichen, wie absurd das Gesetz ist. Denn die Betreiber werden dadurch gleichsam animiert Alkohol auszuschenken, um Einbußen auszugleichen. Der rot-rot-grüne Senat fördert damit also effektiv den Verkauf von Alkohol.
Nicht auf dem Laufenden
Angesichts dieser vorrausschauenden Leistung erscheint es wenig nötig zu erwähnen, dass der Kenntnisstand in Sachen E-Zigarette den Erkenntnissen der Forschung hinterherzuhinken scheint.
Deutlich wird das in einer Aussage, welche die Gesundheitssenatorin in einem Interview dem Rundfunk Berlin-Brandenburg machte.
„Die werden jetzt genauso behandelt wie auch Zigarettenrauchen, Dampf von diesen neuen Produkten haben zwar wesentlich geringer als bei Tabakware gesundheitsgefährdende Stoffe. Aber sie sind nachgewiesen. Also wenn mehrere E-Produkte gleichzeitig in einem Raum konsumiert werden, haben wir dort die gleiche Problematik mit Feinstaub und das ist genauso schädlich für die Gesundheit.“
Dilek Kolat, im Gespräch mit rbb24, 11.09.2018
Dort geht es wieder um, das Gespenst des Feinstaubs.
Das Problem daran ist jedoch, dass es einen eminenten Unterschied zwischen festen Partikeln als Ergebnis einer Verbrennung und flüssigen Stoffen gibt. Der Begriff des Feinstaubs unterscheidet dies nicht.
Prof. Dr. Mayer, Leiter des Bereichs Pharmakologie und Toxikologie des Instituts für Pharmazeutische Wissenschaften an der Karl-Franzens-Universität in Graz, äußerte sich bereits mehrfach dazu.
„Der einzige Stoff, der von Dampfern in relevanten Konzentration an die Umgebungsluft abgegeben wird, ist Propylenglykol, dem die strenge europäische Chemikalienagentur ECHA auch bei Inhalation Unbedenklichkeit bescheinigt hat.
Zur angeblichen Belastung der Umgebungsluft mit Feinstaub, mit der das deutsche BfR gerne argumentiert, sage ich nichts mehr. Der Unterschied zwischen den Abgasen von Verbrennungsmotoren, die feste Partikel enthalten, und der Emission von Aerosolen mit Flüssigkeitströpfchen durch Verdampfer (oder Asthmainhalatoren) sollte mittlerweile allgemein bekannt sein.“
Prof. Dr. Bernd Mayer, auf seinem Facebook Profil, 15. 05.2018
Sicherlich muss die Wirtschaftsmathematikerin Kolat das nicht wissen.
Viele Wähler werden aber von der Gesundheitssenatorin Kolat erwarten, dass sie sich über solche Details fachkundig macht. Bevor sie eine Gesetzesverschärfung zur Gesundheitsprävention auf den Weg bringt.
Und bevor sie in öffentlichen Aussagen eine mögliche Unwissenheit beweist.
Die Renormalisierung des Rauchens
Wie so häufig scheint diese Gesetzesverschärfung aber nicht durch die Gesundheitsprävention motiviert zu sein.
Oft gehen moralisch Ansprüche der Abstinenz eine gefährliche Symbiose mit den Argumenten der Sorge um die öffentliche Gesundheit ein.
Das wird auch in einer Stellungnahme im Gesetzesentwurf deutlich.
„Im Sinne eines präventiven Gesundheitsschutzes ist daher die Verwendung von E-Zigaretten […] sowie von Tabakerhitzern unabhängig vom Nikotingehalt in den bestehenden Nichtraucherzonen zu untersagen“, schreibt Kolats Verwaltung in dem Entwurf. „Die Verwendung dieser Produkte in Nichtraucherschutzbereichen würde zu einer Renormalisierung des Rauchens in der Gesellschaft führen und damit die Erfolge der Nichtraucherschutzgesetzgebung zunichtemachen.“
Und so findet sich auch das zweite Gespenst der moralinsauren Dampfgegner.
Nicht nur der Feinstaub, der den Nichtraucherschutz unterstreichen soll. Darüber hinaus nun auch die Renormalisierung des Rauchens. Und Renormalisierung bedeutet immer auch Gateway Effekt.
Ob das Gesetz tatsächlich den Zweck erfüllen kann, wird offenbar nicht weiter bedacht. Und so müssen die angebrachten Argumente als reines Mittel zum Zweck erscheinen.
Denn, nach der Logik der Verwaltung, findet diese angebliche Renormalisierung ja bereits seit 10 Jahren statt. Was die Zahlen jedoch nicht hergeben, es rauchen immer weniger Jugendliche.
Es erscheint überflüssig zu erwähnen, dass die bisherigen Erhebungen auch sehr klar zeigen, dass es keinen Gateway Effekt beim Dampfen gibt.
Vor wenigen Wochen hat der Wissenschaftsausschuss der britischen Regierung sogar ausdrücklich vorgeschlagen, das Dampfen in Nichtraucherbreichen zu erlauben. (Link unten) Um die unterschiedliche Gefährdung für die Öffentlichkeit deutlich sichtbar zu machen und Rauchern eine Alternative aufzuzeigen.
Berlin macht nun also das genaue Gegenteil von dem, was Großbritannien tut. Und das Königreich weist inzwischen die geringsten Raucherzahlen auf, seit diese überhaupt erhoben werden.
Diese Erkenntnisse werden in der gesundheitsbewussten Bundeshauptstadt schlicht ignoriert.
Schärfere Strafen sollen es richten
Und auch ein dritter, bekannter Weg wird erkennbar. Die Verschärfung der Strafen.
„Wir meinen es wirklich ernst mit diesem Gesetz“ sagte Kolat im Gespräch mit dem Rundfunk Berlin-Brandenburg.
So werden Verstöße demnächst nicht mehr mit 100,- € bis 1000,- € geahndet. Sondern mit mindestens 500,- €. Was beispielsweise für Betreiber von gastronomischen Betrieben bis zu 10.000,- € gehen kann.
Als wenn das alles nicht genug wäre, wurde sogar argumentiert, dass sich Anwohner im bürgerlichen Friedenau vor einigen Wochen beschwert hätten. Denn die Kundschaft der Shisha Bars bestünde vornehmlich aus Männern, die wohlmöglich dem Rotlichtmilieu angehören. Es würden inzwischen gar Autorennen stattfinden.
Das alleine genügte der SPD bereits, sich in der Bezirksverordnetenversammlung für eine Begrenzung der Shisha Bars auszusprechen. Es wurde gar über die erhöhte Kriminalität im Einzugsgebiet von Shisha Bars philosophiert.
Das rundet das Bild.
Unterm Strich betrachtet
Betrachtet man das Gesetz also unterm Strich, so hat man das Argument des Nichtraucherschutzes von Nichtrauchern in gastronomischen Betrieben, deren eigentlicher Sinn das Rauchen ist. Sowie eine Gefährdung von Feinstaub durch E-Zigaretten, die gar nicht existiert.
Dafür schränkt man dann die Substitution durch E-Zigaretten für Raucher ein. Man bewegt Betreiber von Shisha Bars dazu Alkohol auszuschenken. Man belastet die Ordnungsbehörden mit zusätzlichen Aufgaben. Und letztendlich erhöht man die Strafen derart, dass eine Zigarette oder Dampfe am falschen Ort zu einer Buße führen kann, die weit über das übliche Maß hinausgeht.
Das alles um eine Regulierung gesetzlich zu verankern, die vorher den Bürgern selbst überlassen war. Denn man sollte sich klar machen, dass auch bisher Wirte, Träger von Kindertagesstätten, Veranstalter von Konzerten oder die Berliner Verkehrsbetriebe das Rauchen und Dampfen in ihrem Verantwortungsbereich einschränken können.
Die meisten haben das längst getan. Dazu brauchte es kein Gesetz.
Es kann nicht um Gesundheitsprävention gehen
Dass diese Argumentation durchaus Erfolg hat, zeigt sich schon in einer Veröffentlichung vom gestrigen Tag.
Die Redakteurin der Berliner Zeitung Julia Haak verfasste nicht nur einen Beitrag zu der Gesetzesvorlage. Sie ließ sich auch dazu hinreißen, dies gleich in einem Kommentar zu verarbeiten.
Unter der Überschrift „Es ist ein Rätsel, warum es zehn Jahre gedauert hat“ schlug sie weitere Einschränkungen vor. Beispielsweise für Freiluftveranstaltungen wie Konzerte und Jugendfußballturniere.
Hätte die Anglizistin sich etwas intensiver mit wirklicher Gesundheitsprävention, Harm Reduction und Suchtforschung auseinandergesetzt, wäre ihr sicherlich bewusst, dass Verbote noch nie etwas nachhaltig verbessert haben.
Um Gesundheitsprävention geht es in Berlin sicher nicht. Das ist ein vorgeschobenes Argument. Ob aus Ignoranz, Unwissenheit oder dem Kampf um Wählerstimmen.
Es geht um die Restriktion von moralisch unerwünschtem Verhalten. Was in der Politik, nicht nur – aber vornehmlich – von Rot und Grün, leider immer häufiger anzutreffen ist. Weit über die Aufgaben eines Staates hinaus.
Das verschärfte Gesetz könnte nach einer Übergangsfrist bereits 2019 in Kraft treten. Es muss nun noch vom Abgeordnetenhaus bestätigt werden.
Bericht auf rbb24: https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2018/09/nichtraucherschutz-verschaerft-berlin-auch-shisha-bars.html
Kommentar der Berliner Zeitung: https://www.berliner-zeitung.de/politik/meinung/kommentar-zum-nichtraucherschutz-es-ist-ein-raetsel–warum-es-zehn-jahre-gedauert-hat-31252326
Joey Hoffmann
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