Nun hat die EU endlich die Ergebnisse ihrer Konsultation zur Besteuerung der E-Zigarette veröffentlicht. Die Ergebnisse reichen von „ernüchternd“ bis zu „Monthy Python“.
Was den Konsumentenverband IG-ED allerdings nicht davon abhält Loblieder zu singen. Und die Internationale.
Die EU hat eine Umfrage zur Besteuerung von Tabakprodukten durchgeführt. Denn die Besteuerung aller Tabakprodukte soll neu und vor allem europaweit einheitlich reguliert werden.
Das ist weder etwas Ungewöhnliches noch Neues. Die EU ist gemäß ihrer eigenen Grundsätze verpflichtet solche Konsultationen durchzuführen.
Sie tut das ständig und zu allen möglichen Themen, derzeit laufen auf den Servern über 10.000 solcher Konsultationen.
Die Ergebnisse dieser Befragung wurden nun gerade veröffentlicht. Was „Die Verbrauchervertretung der Dampfer in Deutschland“ IG-ED dazu veranlasst hat, einen weiteren Artikel dazu zu veröffentlichen.
Wenn ich mir den so durchlese, dann hört sich das alles klasse an. Ganz viele Dampfer haben mitgemacht. Vor allem deutsche Dampfer haben teilgenommen. Alle finden Steuern doof.
Betrachte ich mir aber die Zahlen und berechne ein, was ich über die politischen Vorgänge weiß, kommt mir der Kaffee hoch.
Werbetrommel gerührt
Die IG-ED hat diese Konsultation sehr breit kommuniziert. Zumindest für ihre Verhältnisse. Um nicht böse zu sagen, sie hat sich daran aufgehängt.
Zunächst hat sie dem geneigten Dampfer den Eindruck vermittelt, man könne eine Besteuerung von E-Zigaretten durch eine hohe Teilnahme und breite Ablehnung abwenden.
Dass dieser Eindruck zwangsläufig endtäuscht werden muss habe ich in diesem Blog bereits verdeutlicht:
Die Enddampfer sind in dieser Frage nicht der entscheidende Faktor. Andere Stakeholder haben ein gehöriges Wörtchen dabei mitzureden.
Beispielsweise der Handel, der ja ein immanentes Interesse daran hat, möglichst viel zu verkaufen. Und damit auch viele Steuern einzubringen.
Aber auch die Gesundheitspolitiker werden mitzusprechen haben. Denn sie werden versuchen die Steuern wahrscheinlich hoch zu halten, damit möglichst wenige Menschen rauchen.
Das schwerwiegendste Wort werden aber die Mitgliedsstaaten zu sprechen haben. Worüber ein dampfender Däne sich sicherlich freuen würde, würde einen Rumänen in die Beschaffungskriminalität und auf den Liquid Strich treiben.
Angesichts dieser Relationen sollte man sich zusätzlich vergegenwärtigen, dass nur ein Viertel der Europäer rauchen. Und selbst in solch dampffreundlichen Ländern wie Deutschland oder Großbritannien greifen maximal 3% zur E-Zigarette.
Natürlich ist eine solche Konsultation eine gute Gelegenheit, seinen Willen auszudrücken.
Doch es ist illusorisch zu glauben, man könne irgendetwas tatsächlich durch Mehrheitswillen beeinflussen. Weil man ganz einfach nicht die Mehrheit ist.
Beschwerde bei der Bürgerbeauftragten
Doch mit einem Aufruf zur Teilnahme war es ja noch nicht genug. Nicht für die IG-ED.
Da die Konsultation, also der Online Fragebogen, offenbar nur auf Englisch verfügbar war, wurde eine Beschwerde eingereicht.
Oder nein, noch besser. Als erstes wurde angefragt, ob die Befragung irgendwann in allen Sprachen verfügbar sein würde. Da keine Antwort kam, hat die IG-ED dann eine Antwort – so wörtlich – „angemahnt“.
Die Antwort, die dann kam, war ein schlichtes „Och nö“.
Daraufhin wurde dann 07. Januar eine Beschwerde bei der Bürgerbeauftragten eingereicht. Wohlbemerkt fast zwei Monate nachdem die Konsultation gestartet war und etwa einem Monat vor deren Ende.
Dass vor Ablauf der Konsultation keine Antwort zu erwarten war, war irgendwie vorhersehbar.
Zu diesem Themenkomplex veröffentlichte die IG-ED exakt acht Artikel. Plus einen in englischer Übersetzung.
Da die IG-ED sonst recht wenig veröffentlicht, könnte sich bei dem ein oder anderen der Eindruck aufgedrängt haben, die IG-ED macht sonst nichts anderes. Nichts anderes als sich um ein Thema zu kümmern, dass man mit etwas politischem Sachverstand vom Start weg als Totgeburt erkennen konnte.
Es ist fast verwunderlich, dass die IG-ED sich nicht beschwert hat, dass die Konsultation online stattgefunden hat. Immerhin konnten dadurch nur Leute mit Internet daran teilnehmen.
Wir sind das analoge Volk!!! Attica, Attica!!!
Die meisten Teilnehmer aus Deutschland
Am Donnerstag veröffentlichte die IG-ED nun den neusten Beitrag zu dem Thema. Unter der Überschrift „Gut gemacht, deutsche Dampfer“ erklärte sie ihren Lesern, wie klasse das alles gelaufen ist. Und wie viele deutsche Vaper da mitgemacht haben.
Eigentlich gibt sie aber nur an, aus welchen Nationen prozentual die meisten Teilnehmer kamen. Und dass 88% der Meinung waren, dass E-Zigaretten weitaus weniger schädlich sind.
Leider musste ich mich selber durch zwei Silvester Statistik quälen.
Ok, eigentlich nur eins. Aber das erste Halbjahr war ein grandioser Vorbeimarsch mit Militärparade und großem Zapfenstreich. (Am Vorabend Junggesellenabschied, der Hund hat die Hausaufgaben gefressen, Ihr kennt das.)
Ich kenne Schönrechnereien. Ich weiß aus dem Marketing, wie man Zahlen so formuliert, dass sie gut aussehen und man trotzdem nicht lügt.
(Über 98% aller Schimpansen sind unter dem Einfluss von Alkohol ganz beschissene Autofahrer!)
Wenn also in so einem Artikel nur Prozentzahlen auftauchen, dann werde ich skeptisch. Und dann gucke ich mir das genauer an. Genauso, wie ich das bei wissenschaftlichen Beiträgen zur E-Zigarette mache.
Und als ich das dann sah, musste ich erst einmal laut lachen.
Fast 100% aller Teilnehmer haben Internetzugang!
An der Befragung der EU haben 11.410 Menschen teilgenommen.
Das bedeutet, nicht einmal jeder 46.000ste EU Bürger hat sein Votum abgegeben.
An der Befragung zur Besteuerung von Tabakprodukten der EU Kommission haben weniger Menschen teilgenommen als bei der EU Kommission arbeiten.
Soll ich es nochmal sagen?
Gerne.
Bei der EU Kommission arbeiten derzeit etwa 15.000 Menschen. Aushilfskräfte, Putzfrauen und Befristete nicht mitgerechnet.
An der Befragung, die von der IG-ED als Chance der europaweiten Mitsprache zur Besteuerung von E-Zigaretten nach außen beworben wurde, haben weniger Menschen teilgenommen, als bei der durchführenden Kommission arbeiten.
Das sind weniger Menschen als Besucher der Ausstellung „Häkelkosmos“ im Textilmuseum Krefeld.
Das sind weniger Teilnehmer als bei der Online Schulung zum Reiserecht des Deutschen Reiseverbandes.
Das sind weniger Menschen als das Märklin H0 Forum Mitglieder hat.
Das sind weniger Menschen als durchschnittlich die Spiele des SV Sandhausen in der zweiten Bundesliga im Stadion besuchen. Und ich weiß nicht einmal, wo Sandhausen liegt.
Lassen wir das einen Moment wirken.
96% Privatpersonen
Nun kann man natürlich argumentieren, das hätte vielleicht daran gelegen, dass die Befragung nur auf Englisch zur Verfügung stand. Immerhin hatte man sich dagegen ja erfolglos beschwert.
Das Bild ist allerdings etwas diffiziler. Denn in Großbritannien haben nur 372 Menschen teilgenommen, in Irland nur 58. In Frankreich, das dem Englischen traditionell ablehnend gegenübersteht, hingegen 1107.
Die Gründe müssen also andere sein.
Auch darf man nicht vergessen, dass die Befragung auch Unternehmen offen stand. Auch in der traditionellen Tabak Branche. Und viele Unternehmen in dem Bereich dürften teilgenommen haben.
263 Teilnehmer gaben sogar an, gar nicht aus der EU zu leben.
Daher ist auch sehr fraglich, was diese Konsultation für das Dampfen bringen soll. Denn wie bereits erklärt sind die Konsumenten nur eine Gruppe von Stakeholdern, deren Stimme nicht viel Gewicht haben dürfte wenn es an die Entscheidungen geht.
Und das obwohl fast 96% angaben als Privatperson zu antworten. Es hätten auch 100% sein können.
An den Zahlen der weiteren Antworten lässt sich dann auch sehr schön ablesen, welche Motivation die meisten Teilnehmer hatten.
Waren die Antworten im Bereich der klassischen Tabakprodukte ausgewogen, schlägt der Pegel dramatisch um, sobald es um E-Zigaretten geht.
Ein Bonmont wirft Fragen auf
Ein kleines Schmankerl fällt bei den Einzelfragen zur E-Zigarette noch auf.
Der Aussage „E-cigarettes may support smoking cessation“ stimmte eine überwältigende Mehrheit von 85% zu.
Dummerweise bedeutet das aber, dass 15% der Befragten der Meinung sind, dass Dampfen die Tabaksucht unterstützen könnte.
Hätte die IG-ED sich aber tatsächlich genauer mit der veröffentlichten Auswertung und der von ihr selber zuvor verlinkten Befragung auseinandergesetzt, wäre vielleicht aufgefallen, dass die meisten Antworten gar nicht mit der Befragung übereinstimmten.
Die veröffentlichte Auswertung ist nur eine Zusammenfassung. Bei der allerdings gar nicht ersichtlich ist, woher beispielsweise die Antworten zu der Frage nach der Gefährlichkeit von E-Zigaretten stammen.
In den Fragen zur Besteuerung tauchen sie zumindest nicht auf.
Das wäre aufgefallen, wenn die IG-ED die Zahlen tatsächlich ausgewertet und aufbereitet hätte. Anstatt in einer Rosinenpickerei einige Ergebnisse abzulesen und mundgerecht aufzubereiten.
Leider habe ich dafür auch keine Zeit, ich verlinke jedoch die Quellen unter diesem Artikel.
Zum Mitschreiben
In der Vergangenheit musste ich leider lernen, dass es besser ist, Kritik deutlich und klar zu formulieren.
Ich kritisiere nicht, dass Enddampfer am politischen Prozess teilhaben wollen. Ich kritisiere nicht, dass Konsumentenverbände zur Teilnahme an einer Befragung aufrufen.
Ich kritisiere, wenn Minderheiten sich einreden, sie könnten durch reine Stimmungsmache etwas bewegen. Ich kritisiere, wenn sie sich einreden eine Revolution auszulösen und nicht merken, dass die wirklich Relevanten mitleidig kopfschüttelnd darum herumstehen.
Noch schlimmer finde ich jedoch, wenn ein Konsumentenverband seinen Mitgliedern (und jenen die er vorgibt zu vertreten) nicht ganz klar aufzeigt worum es geht und wo die tatsächlichen Chancen sind.
Und tatsächlich verarscht komme ich mir vor, wenn das Ganze dann wie von einem Zauberer auf einem Kindergeburtstag hinter Zahlenspielereien verborgen werden soll.
Es ist tatsächlich gefährlich, auf einer Empörungswelle zu schwimmen und eine Erwartungshaltung zu wecken.
Denn der psychologische Mechanismus der Menschen muss auf das zwangsläufige (und wiederholte) Scheitern reagieren, indem die Schuld für das Scheitern dafür bei anderen gesucht wird. Das ist so festgelegt, seit Ödipus den Komplex erfunden hat.
Die Tabaklobby, die Pharmalobby, die Händler, die Politiker… Wir haben eine große Auswahl.
Vorhersehbare Legendenbildung, Narrative und Opferrollen: So kann man später erzählen, man hätte bis zur Bürgerbeauftragten der EU gegen die Steuer „gekämpft“.
„Gott, gib mir Gelassenheit“
Nach meiner Einschätzung wird eine Steuer kommen.
Ziel muss es jetzt sein, an diesem Prozess konstruktiv teilzuhaben. Dafür hat die E-Zigarette hervorragende Argumente im Gepäck und diese erreichen Brüssel so langsam.
Ziel muss sein, den Entscheidungsprozess zu modellieren. Beispielsweise vorherige Alleingänge in den Hauptstädten zu verhindern.
Derzeit ist mir kein Konsumentenverband in Europa bekannt, der die Kompetenzen und Kapazitäten dazu hat, an diesem Prozess teilzunehmen.
Und ich bedaure das zutiefst, denn auch ich bin Dampfer.
So langsam fehlt mir jedoch die Hoffnung, dass die Organisationen der Dampfer das erkennen und sich auf das konzentrieren was in ihrer Macht steht, um irgendwann einmal überhaupt dorthin kommen zu können.
Ich bin zwar kein Christ, aber es gibt ein bekanntes Gebet des amerikanischen Theologen, Philosophen und Politikwissenschaftlers Reinhold Niebuhr.
Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Artikel der IG-ED: https://ig-ed.org/2018/09/gut-gemacht-deutsche-dampfer/
Befragung der EU (Guru Server, PDF): https://www.vapers.guru/wp-content/uploads/2018/09/Tobacco_excise_29_09_2018_EN_draft.pdf
Veröffentlichung der EU (Guru Server, PDF): https://www.vapers.guru/wp-content/uploads/2018/09/Tobacco20public20consultation20201820statistical20report.pdf
Aus den Anfängen des Gurus: Zwei Monate in der IG-ED: https://www.vapers.guru/2016/04/22/zwei-monate/
Joey Hoffmann
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