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Kanal für Jugendliche wirbt für E-Zigarette

"Geht und holt Euch eine. "

Der britische YouTuber Ben Phillips hat mit offenbar gestellten Prank Videos über 4,1 Millionen überwiegend minderjährige Abbonenten gesammelt. Nun hat er ein solches Video durch den E-Zigaretten Hersteller Voopoo sponsern lassen.
Die Reaktionen reichen von Halb-so-wild über Empörung bis zum Boykott Aufruf.
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Spätestens seit sich auf MTV die Protagonisten von Jackass vor 20 Jahren gegenseitig Tennisbälle in die Genitalien geschossen haben weiß man: Man muss Slapstick nur cool verpacken, dann bekommt man damit immer Zuschauer.
Irgendwelche selbstfindenden Adoleszenten schauen sich das an. Und machen es nach.

Inzwischen wird die vorrausschauende Selbstverletzung ersetzt durch Pranks. Was im Deutschen nichts anderes als Streiche sind. Aber Pranks hört sich nun einmal cooler an.
Das ist meist harmloser, man muss nicht mehr die eigenen Genitalien riskieren. Wie Kraftklub schon vor sieben Jahren sang ist man wohl zu jung für Rock n’Roll.

Perfektioniert hat diese Unterhaltung für wenig Anspruchsvolle Ben Phillips. Mit seinem Kanal hat er inzwischen über 4,1 Millionen Abonnenten sammeln können.
Dass diese zumeist Minderjährig sind, erschließt sich nicht nur aus der farbenfrohen Aufmachung der Teaser. Sondern auch durch die aufgesetzte Coolness, die sich abwechselt mit dem vorfreudigen Gekicher, das kleine Mädchen wohl zeigen, wenn sie von ihrer ersten Reitstunde erfahren. Er promotet sogar seine eigene Autogramm Tour, die allerdings bereits im November stattgefunden hat.

Dass viele der Streiche gestellt sein dürften kann der etwas Lebenserfahrenere leicht an den schlechten Schauspielkünsten der Antagonisten erkennen.

Kauft das!

Ben Phillips Voopoo
„Geht und holt Euch eine.“

Vor einer Woche veröffentlichte Ben Phillips nun ein Video, in dem er die E-Zigarette als Aufmacher für einen seiner Streiche nutzte. Nicht zum ersten mal.
Offenbar verdrängt die E-Zigarette die Tabakzigarette nicht nur beim Inhalieren, auch explodierende Zigaretten scheinen aus der Mode zu kommen.

Doch diesen Scherz, bei dem er seinem Opfer „flüssiges“ Helium (wahrscheinlich Helium II) in die E-Zigarette füllte, war gesponsert.

Der chinesische Hersteller Voopoo ließ Ben Phillips vor dem eigentlichen Prank das Produkt nicht nur in die Kamera halten, sondern auch bewerben.

„Dieses Video wurde von Voopoo gesponsert, die Vapes herstellen. Die haben Vape Zeug wie dieses draußen, Drag genannt. […] Ihr solltet nicht rauchen, es tötet. Aber Ihr könnt diese nikotin- und tabakfreie Voopoo Vapes haben. […]
Wenn Ihr euren Vape haben wollt, der Link ist in Beschreibung unten. Geht und holt Euch eine. Das sind wirklich gute Vape Produkte, die sanfter sind als alle anderen da draußen.“
Ben Philips, 30.12.2018

Aufgesetzter kann Werbung auch im Englischen nicht sein. Zumal wenn der Werbende das Produkt selber gar nicht nutzt und wie Ben Phillips bei der Inhalation husten muss.
In Afrika gibt es überraschend wenig glaubwürdige Werbung für Selbstbräuner.

Empörung und Boykottaufruf

Nachdem eine erste Empörungswelle durch die britischen YouTuber gegangen ist gab es weitere Reaktionen.

Auf dem Kanal der Empire Vape Co. wurde zum Boykott von Voopoo aufgerufen. Und der YouTuber Vic bestätigte auf seiner Facebook Seite, dass er mit einem englischen und einem schottischen Abgeordneten zu dem Thema telefoniert habe. Diese bestätigten beide, dass bereits einen Tag nach der Veröffentlichung die ersten Mails von Dampfgegnern eingegangen sind, die eben dieses Video thematisierten.

Simon Bauer von Vape Scene Investigation griff das wiederum vorgestern auf. Woraufhin Thomas Frohnert auf seinem Kanal Steamshots dazu gestern auch noch etwas zu sagen hatte. Dummerweise hatte er genau am Tag zuvor ein Review zu der neuen Box von Voopoo veröffentlicht.

Während Frohnert das eher sehr gelassen sah, titelte Simon Bauer „Voopoo scheißt allen vor die Füße“.



Die unterschiedliche Beurteilung dürften in der unterschiedlichen Sichtweise auf die E-Zigarette begründet liegen.
Während Steamshots sich vornehmlich mit Reviews beschäftigt, beschäftigt Vape Scene Investigation sich vor allem mit den medialen und politischen Aspekten des Dampfens.

Dieser Unterschied wird auch unter den Konsumenten wiederzufinden sein.
Die einen setzen sich regelmäßig mit der öffentlichen Debatte und den politischen Anfeindungen auseinander. Für diese stellt ein solches Verhalten von einem Hersteller und einem großen YouTuber natürlich eine kommunikative Katastrophe dar.

Denn Dampfgegner argumentieren vornehmlich mit dem Jugendschutz. Es kostet sehr viel Mühe und Arbeit der verschiedenen Fürsprecher aus der Branche und der Wissenschaft dies zu widerlegen.
Und dann geht ein YouTuber, der offenbar überhaupt nichts mit dem Dampfen zu tun hat und augenscheinlich keine Ahnung davon hat, hin und bewirbt eine E-Zigarette eines Herstellers bei seinem überwiegend minderjährigen Publikum.

Diejenigen Konsumenten, die sich mit der Debatte nicht beschäftigen, werden die Aufregung verständlicherweise schwer nachvollziehen können.
Zumeist sind das aber die gleichen, die sich dann erregen wenn es zu spät ist und Regulierungen in Kraft treten sollen.

Dämlichkeit oder Berechnung?

Auf einigen Plattformen kommt es nun zu der zu erwartenden Debatte.
War Voopoo einfach dämlich, oder war es kühle Berechnung?

Denn die TPD 2 untersagt eine solche Werbung und das Sponsoring von E-Zigaretten eindeutig.
Dies wird in Deutschland durch das Tabakerzeugnisgesetz entsprechend national umgesetzt und muss in Großbritannien – Brexit hin oder her – also auch Gesetz sein.

Ben Phillips kann man daher also nicht nur mit einiger Berechtigung Geldgeilheit unterstellen, sondern auch die erwähnte Dämlichkeit.

Doch bei dem chinesischen Hersteller ist das nicht ganz so einfach.
Viele sollten sich klar machen, dass die allermeisten Hersteller auch in China mittelständige Betriebe sind. Selbst wenn dort hunderte Niedriglohnkräfte an Fließbändern für wenige Euro am Tag Verdampfer zusammenschrauben.
Wer geschäftlich öfter in dieser Branche mit den Chinesen zu tun hatte weiß, dass die allermeisten nach wie vor schlicht keine Ahnung von den europäische Gesetzen haben.

Hinzu kommt, dass sich unter dem sozialistischen Banner des bevölkerungsreichsten Landes der Welt ein Raubtierkapitalismus entwickelt hat.
Der ist zu teilen kulturell bedingt, da dem Individuum dort weniger Wert beigemessen wird. Bei Regulierungen wie Verbraucherschutz und Gewährleistung – die hierzulande so selbstverständlich sind, dass sie kaum noch wahrgenommen werden – befindet die Volksrepublik sich noch tief im letzten Jahrhundert. Gepaart mit einer kapitalistischen Aufbruchsstimmung, dem Unverständnis für geistiges Eigentum und einer tief verwurzelten Korruption.

Sollte Voopoo klar gewesen sein, dass sie nicht nur moralische Grenzen überschreiten sondern auch Gesetze brechen, kann man davon ausgehen, dass es sie nicht geschert hat. Kein europäischer Staatsanwalt wird eine chinesische Firma dafür zur Rechenschaft ziehen.
Die Kontrollinstanz hätte Ben Phillips sein müssen. Der Mann, der sein Geld damit verdient angeblich Ahnungslose in Unterhose auf einem Parkplatz auszusetzen.

Das Netz vergisst nicht

Wie nicht anders zu erwarten kamen in den Kommentaren die ersten Aufrufe zum Boykott.

Die Firma Voopoo (Voopoo Tech) adressiert eher an eine junge Zielgruppe. Ähnlich wie der Hersteller Smok. (Und Ben Phillips.)
Diese Zielgruppe dürfte durch einen solchen Boykottaufruf eher schwer zu erreichen, geschweige denn zu überzeugen sein.

Hinzu kommt, dass viele die Geräte bei Einzelhändlern erwerben.
Diese Vape Shops haben die Produkte jedoch selber bereits gekauft. Ein Boykott würde also eher diesen Einzelhändlern schaden.

Sinnvoller wäre beispielsweise Messebetreiber dazu aufzurufen, Voopoo nicht mehr als Aussteller zu akzeptieren. Sie könnten den Platz sicher leicht anderweitig vergeben.
Dies würde es Voopoo schwer machen, ihre Produkte am europäischen Markt vorzustellen und B2B anzubieten. Es würde ein klares Zeichen an Voopoo und an die chinesischen Hersteller senden.

Sinnvoller wäre auch, Reviewer auf YouTube dazu aufzurufen, auf eine Zusammenarbeit mit der Firma zu verzichten.
Auf vapers.guru wird es in Zukunft sicher keine Besprechungen zu diesen Produkten geben.

Dass diese Diskussion auch Auswirkungen auf den deutschsprachigen Raum hat ist wohl eher nicht zu erwarten.
Aber dieses Totalversagen auf mehreren Ebenen wurde ausreichend in Großbritannien wahrgenommen. Und es wäre nicht überraschend, wenn ein deutscher Politiker bei einem Gespräch mit einem Branchenvertreter dieses Video demnächst aus dem Ärmel zückt. Wie bereits mit einem deutschen YouTube Video über 200mg Base geschehen.

Ben Phillips hat am Mittwoch das Video erst auf „ab 18“ gestellt und kurz darauf gelöscht.
Zu spät. Das Netz vergisst nicht.


Die Regulierung wird kommen: https://www.vapers.guru/2018/12/01/die-tpd-3-kommt/
Regulierung in den USA: https://www.vapers.guru/2018/11/14/e-zigaretten-hersteller-lenken-ein/

Werbeverbot für E-Zigaretten gefordert

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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