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DKFZ fordert hohe Steuer auf E-Zigaretten? Wirklich?

Die tausend kleinen Nadelstiche

  • Ärzteblatt berichtet von der Nikotinkonferenz des DKFZ in Heidelberg
  • DKFZ fordert scheinbar hohe Steuern auf E-Zigaretten
  • Anfrage bei der zuständigen Leiterin beim DKFZ ergibt ein völlig anderes Bild

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Laut einer im Auftrag des Händlerverbandes VdeH durchgeführten Forsa Umfrage halten 57 Prozent der Deutschen die E-Zigarette für mindestens so schädlich oder sogar noch schädlicher als die Tabakzigarette.

Das wäre nicht verwunderlich, wenn die E-Zigarette neu wäre und es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu gäbe.
Doch inzwischen ist die E-Zigarette seit über zehn Jahren in Europa am Markt und immer mehr Studien beweisen die exponentiell geringere Schädlichkeit.

Die Einschätzung war sogar schon besser, mehr Menschen erkannten das Potenzial der Dampfe. Dieser Rückschritt liegt vor allem an der mangelnden Aufklärung der Öffentlichkeit.

Diese wird natürlich stark durch die Medien gelenkt. Durch einseitige oder ungenaue Berichterstattung.
Bis heute sind viele Konsumenten und auch Hersteller und Händler darüber verwundert, wie stark und vielschichtig diese Einflussnahme stattfindet.

Um das zu erklären, braucht es aber keine Verschwörungstheorie.
Die Gegner der weniger riskanten Alternative E-Zigarette, überwiegend aus der Pharma- und Gesundheitsindustrie, werden von den Medien und der Politik allgemein als verlässliche Stichwortgeber angesehen.
Lobbyarbeit findet nicht im Großen statt, sondern in vielen kleinen Schritten.
Es sind nicht die Geldkoffer, die in übel beleumundeten Bahnhofsgegenden nachts in Tiefgaragen übergeben werden. Es sind die Tagungen und Konferenzen, die Pressemitteilungen und Geschäftsessen, die Einflussnahme durch Händeschütteln. Und das Framing in den Medien.

Auf eine kleine Kleinigkeit stieß ich letzte Woche.

DKFZ fordert höhere Steuern

In der Vergangenen Woche fand die 17. Deutschen Konferenz für Tabakkontrolle des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg statt.
Nach dieser Konferenz veröffentlichte das Ärzteblatt einen Artikel, in dem es über die Forderung des DKFZ nach einer höheren Tabaksteuer berichtete.

In dem Artikel fielen mir zwei kurze Absätze auf.

Das DKFZ verlangt überdies striktere Regularien für E-Zigaretten. Es sieht E-Zigaretten ebenfalls als gesundheitsschädlich an, auch wenn Tabakzigaretten wahrscheinlich gefährlicher seien. E-Zigaretten sollten ebenfalls nicht beworben werden dürften.

Auch hier seien höhere Steuern ratsam, um Nutzer zum Ausstieg zu bewegen und Jugendliche vom Einstieg abzuhalten. Tier- und Zellversuche deuteten darauf hin, dass E-Zigaretten Atemwege und das Herz-Kreislaufsystem schädigten. Valide Daten werde es dazu erst in fünf Jahren geben, sagte Mons.

Das war doch verwunderlich. Denn ich beobachte natürlich auch sehr genau, was aus Heidelberg kommt. Und dieser Artikel gibt nicht so wirklich wieder, was das DKFZ derzeit tatsächlich rät und fordert. Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) schlägt inzwischen ganz andere Töne an.

Die indirekt zitierte Frau Dr. Ute Mons ist die Nachfolgerin der E-Zigaretten Gegnerin und Lobbyistin Dr. Martina Pötschke-Langer.
In ihrer Funktion der Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention hielt sie bei der Fachtagung an der University of Applied Sciences in Frankfurt einen kurzen Vortrag. Der einen sehr viel entspannteren und sachlicheren Grundton anschlug, als das im Artikel des Ärzteblattes scheint. [Link zum Bericht unten]

Aber gehen wir das Zitat einmal durch



Framing ist kein Straftatbestand

Auffällig ist die Formulierung, das DKFZ sehe die E-Zigarette als gesundheitsschädlich an. Wenn auch Tabakzigaretten „wahrscheinlich gefährlicher seien“.
Das ist ein reines Framing. Denn nicht nur, dass keine Relation für die geringere Schädlichkeit gegeben wird – laut PHE immerhin 99,5% weniger Krebsrisiko. Es ist auch so formuliert, dass es näher erscheint. Es wird nur eine Eventualität im Nebensatz eingeräumt.

Im Artikel wird auch die Forderung nach einer dreißigprozentigen Steuererhöhung für Tabakzigaretten gestellt.
In dem Kontext wird dann berichtet, dass höhere Steuern auch für die E-Zigarette „ratsam seien“.
Der Leser bekommt also implizit den Eindruck vermittelt, das DKFZ verlange die gleiche Steuererhöhung wie für Tabakzigaretten. Und somit halte es die E-Zigarette für genauso schädlich.
Das widerspricht allem, was ich in diesem Jahr vom DKFZ und vom BfR gehört und gelesen habe.

Anschließend wird darauf hingewiesen, dass Tier- und Zellversuche darauf hindeuten würden, dass E-Zigaretten das Herz-Kreislauf-System schädigen würden. Danach folgt erneut ein Zitat von Frau Dr. Mons.
Es ist für den Leser also gar nicht erkennbar, ob Frau Dr. Mons das so gesagt hat. Der Eindruck bleibt jedoch.

Durch die Andeutung kann zeitnah eigentlich nur die Studie aus Mainz gemeint sein. Die das nachgewiesen haben will. Doch diese Studie wurde weit kritisiert und inzwischen durch eine klinische Studie aus Großbritannien widerlegt.
Finanziert wurde sie durch einen Pharmakonzern, der eine neunstellige Nähe zur Universität Mainz pflegt. [Link zum Bericht unten]

Also habe ich einfach eine Presseanfrage an Frau Dr. Mons geschickt, die sie noch am gleichen Tag sehr freundlich beantwortet hat.

Moderate Besteuerung ist weniger als 30%

Mons bestätigte, dass sie für eine deutlich höhere Besteuerung für Tabakzigaretten und für ein Werbeverbot für E-Zigaretten plädiere.
Doch sie bestätigte auch, was sie bereits zuvor klar gemacht hatte:
E-Zigaretten sollten nur mäßig besteuert werden. Um den Einstieg für Jugendliche unattraktiver zu machen.

Diese (wörtlich) „moderate“ Besteuerung bedeutet, dass E-Zigaretten deutlich preiswerter als Tabakzigaretten bleiben sollen. Um den Umstieg oder Ausstieg für Raucher attraktiver zu machen. Darauf wies Frau Dr. Mons in ihrer Antwort ausdrücklich hin.

Damit bestätigt Sie also nicht nur das, was sie vorher gesagt hatte. Sondern sie nimmt damit genau die Position ein, die auch der Händlerverband BfTG vertritt.

Eine Äußerung erzeugte bei mir sogar überraschte Zustimmung. Sie konnte sich nur nicht mehr daran erinnern, ob sie dies auch so auf der Pressekonferenz erwähnt hätte.
Ihrer Meinung nach könnte es sinnvoll sein, Einwegprodukte höher zu besteuern.

Damit gemeint sind vorbefüllte Pod Systeme wie Blu, Juul und Vype. Also genau jene Produkte, die inzwischen an Kiosken und in Tankstellen vertrieben werden. Und die üblicherweise von Tabakkonzernen an den Markt gebracht werden.

E-Zigarette
Reemtsma wirbt auf Instagram für die Blu mit Simon Desue, jugendaffinem YouTuber und Ex-Promi-Big-Brother. Zielgruppe eher unter 20. (Foto: Screenshot)

Das zeigt, dass man sich in Heidelberg sehr wohl darüber bewusst ist, dass es Unterschiede zwischen erwachsenen und dampfenden Ex-Rauchern und jugendlichem Probierkonsum gibt. Und dass genau diese Einwegprodukte dazu geeignet sind, Jugendliche und junge Menschen anzusprechen.

Vielen Dampfern ist längst klar: Die Regulierungen der TPD, also die Beschränkung von nikotinhaltigen Liquids aus Gründen des Jugendschutzes, gehen an jeglichem Sinn vorbei.
Denn ein Jugendlicher würde sich eher ein kleines und preiswertes Produkt an der Tankstelle besorgen, als ein offenes System für 50,- Euro und einen Liter Base zum Selbermischen im Fachhandel.
Diese Regulierung läuft also, ebenso wie die sogenannte Sechsmonatsfrist, ins Leere.

Die Strategie der tausend Nadelstiche

Dieser Artikel beweist also drei Dinge sehr eindrücklich.

Zum ersten ist man in Heidelberg (und auch beim BfR) sehr viel weiter, als man es in der Dampferblase und in den Medien mitbekommt. Und sehr viel aufgeschlossener.

Zum zweiten sollte man sich nicht direkt über alles aufregen. Weil die Berichterstattung leider in alle Richtungen unzuverlässig ist.

Und zum dritten zeigt es wieder den Vorgang der tausend Nadelstiche, mit dem gegen die E-Zigarette Stimmung gemacht wird.

Man kann dem Ärzteblatt in diesem Fall keinen konkreten Vorwurf machen.
Der stellvertretende Chefredakteur des Ärzteblattes Schmedt verwies auf Anfrage in einem Einzeiler darauf, dass die Kollegen sich vor Ort Notizen gemacht hätten. Man könne von keinem Fehler ausgehen.
Unterzeichnet ist der Artikel jedoch mit „dpa/jff/aerzteblatt.de“. Als Quelle wurde also auch die Deutsche Presseagentur herangezogen. Es ist demnach ungewiss, wen der Chefredakteur überhaupt mit „den Kollegen“ vor Ort gemeint hat.

Die Nachforschung wäre zu kleinteilig. Denn wie bereits gesagt: Bei der Lobbyarbeit geht es nicht um die Geldkoffer in der Tiefgarage. Nicht das eine große Ding. Es geht um Kleinigkeiten. Die Konferenzen und Tagungen, das Framing in den Medien…

Überflüssig zu erwähnen, dass das Ärzteblatt der Bundesärztekammer gehört. Die wiederum Mitglied im Aktionsbündnis Nichtrauchen ist. Das inzwischen von der E-Zigaretten-Gegnerin Martina Pötschke-Langer geleitet wird. Der Vorgängerin von Frau Dr. Mons.
Merkwürdig, wie klein die Welt manchmal ist.


Artikel im Ärzteblatt: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/107889/Experten-schlagen-spuerbare-Preiserhoehungen-fuer-Zigaretten-vor
Fachtagung in Frankfurt: https://www.vapers.guru/2019/10/14/fachtagung-zur-e-zigarette-in-frankfurt/

Studie zur E-Zigarette: Logbuch einer Desinformation

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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