- Verbraucherzentrale versendet Abmahnungen an Shops
- Die Informationskampagne #ezigarettenleben sei unerlaubte Werbung
- Die Abgemahnten sollen Ihre öffentliche Unterstützung für die Informationskampagne binnen zwei Wochen einstellen
Im vergangenen Jahr rissen die Horrormeldungen aus den USA nicht ab: Tote durch E-Zigaretten.
Die Medien stürzten sich auf das Thema und berichteten unreflektiert.
Tatsächlich war sehr schnell klar, dass die Erkrankten und Toten nicht durch die handelsübliche E-Zigarette geschädigt wurden. Sondern durch illegale Drogen.
Dealer waren auf die Idee gekommen, THC haltige Flüssigkeiten in Kartuschen abzufüllen. Diese konnten dann für einen Straßenverkaufswert von 16 Dollar konsumiert werden.
Die Geschädigten hatten ihre Akkus für E-Zigaretten schlicht zum Kiffen benutzt.
Das Problem daran war aber auch nicht das THC, der Wirkstoff aus der Cannabis Pflanze. Sondern das Tocopherylacetet, so genanntes Vitamin-E-Acetat. Das hatten die Dealer als Grundsubstanz für ihre Öle verwendet.
Da es sich dabei um ein nicht wasserlösliches Öl handelt, ist es auch nicht zur Inhalation geeignet. Eine lebensbedrohliche Lipidpneumonie kann die Folge sein.
Das räumten die zuständigen Behörden in den USA längst ein, als die Medien hier noch titelten „Tote durch E-Zigarette“.
#ezigarettenleben
Als Reaktion auf diese falsche Berichterstattung initiierte vor allem der Händlerverband VdeH eine Kampagne, die über die tatsächlichen Ursachen und Risiken aufklären sollte.
Unterstützt wurde das aber von sehr vielen Menschen.
Unter anderem von YouTubern wie Thomas Frohnert alias Steamshots, Ferhat San (Dampfdidas) und Phil Scheck alias Philgood (Liquidhimmel). Auch von Simon Bauer von VSI, Horst Winkler, dem Chefredakteur des Dampfermagazins und natürlich von mir mit VAPERS.GURU.
Doch es gab auch völlig unabhängige Unterstützer, wie Prof. Dr. Heino Stöver, Suchtforscher aus Frankfurt, Prof. Dr. Bernd Mayer, Leiter der Pharmakologie der Uni Graz und Sascha Eisenbeil, Autor des „Ratgebers E-Zigarette“.
Die Kampagne sollte zwei Dinge kommunizieren.
Zum einen, dass die handelsübliche E-Zigarette nichts mit den Toten in den USA zu tun hat.
Und zum anderen, dass die E-Zigarette die deutlich weniger riskante Alternative ist.
Nicht nur die staatliche Gesundheitsbehörde Public Health England vertritt bereits seit 2014 das exponentiell geringere Risiko. Und empfiehlt die E-Zigarette sogar für Raucher.
Auch das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg und das Bundesinstitut für Risikobewertung haben sich dieser Einschätzung inzwischen angeschlossen.
Seit Jahrzehnten kämpft man um geringere Raucherzahlen. Und feiert schon Rückgänge im geringen Prozentbereich. Plötzlich kommt die E-Zigarette und alleine bis 2014 hören neun Millionen Menschen in Europa auf zu rauchen.
Großbritannien verzeichnet inzwischen die geringsten Raucherzahlen, seit diese überhaupt erhoben werden.
Die Idee der Harm Reduction ist sehr einfach: Wenn Menschen sich durch ein bestimmtes Verhalten schädigen, und es trotzdem nicht unterlassen (können oder wollen) muss man ihnen eine Alternative anbieten, mit denen sie sich weniger schädigen.
Heroin und Methadon, AIDS und Kondome… Tabak und E-Zigarette.
Deshalb lag der Slogan für die Kampagne auch auf der Hand: E-Zigaretten retten leben.
Netzaffin verkürzt zu #ezigarettenleben.
Doch genau daran stoßen sich offenbar einige.
Die Gegner der Harm Reduction
Immer wieder kommt es zu Diskussionen der Befürworter der Harm Reduction mit deren Gegnern.
Das betrifft nicht nur die E-Zigarette. Doch hier ist es am deutlichsten spürbar.
Denn die Befürworter haben natürlich die Perspektive, den Menschen zu helfen, die nicht aufhören können zu rauchen.
Ärzte, Gesundheitsorganisationen und Moralapostel haben jedoch immer die Perspektive, dass durch diesen Ansatz wohlmöglich Menschen überhaupt erst an ein unerwünschtes Verhalten herangeführt werden.
So war es bei der Diskussion um Methadon für Heroinabhängige. Viele glaubten, dadurch werde Heroin verharmlost und es würde zu einer Welle neuer Abhängiger kommen.
Und so war es bei AIDS. Die Kampagnen zum Selbstschutz durch Kondome wurden nicht nur durch die christliche Kirche angegriffen.
So ist es übrigens bis heute bei der Diskussion um die Freigabe von Cannabis. Denn überall, wo Cannabis legalisiert wurde, wird von einem Rückgang der Beschaffungskriminalität und der Verkehrsunfälle berichtet. Doch die Gegner malen das Bild der gefährdeten Jugend. Obwohl Umfragen längst gezeigt haben, dass fast jeder 16 jährige weiß, wo er etwas zum Kiffen herbekommt. Illegal und unkontrolliert.
Nun ist es die E-Zigarette.
Und genau diese Verdrehung der Argumente macht sich heute die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg zu Nutze.
Abmahnungen für die Wahrheit
Heute bekamen viele Leute aus der E-Zigaretten Branche eine Abmahnung auf den Tisch. Von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Weil sie das Logo der Kampagne auf ihren Internet Seiten geteilt hatten.
Die Verbraucherzentrale argumentiert: „Bereits die Kernaussage, E-Zigaretten würden Leben retten, ist nicht zu billigen. Sie verharmlosen damit nicht nur Gefahren, die vom E-Zigarettenkonsum ausgehen, sondern erwecken darüber hinaus den Eindruck, der Konsument von E-Zigaretten würde sich damit sogar etwas Gutes tun.“
Zitiert werden Aussagen der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP) und der Deutschen Lungenstiftung. Vor allem Schwangere gingen „fälschlicherweise davon aus, dass E-Zigaretten bei der Entwöhnung von Tabakzigaretten helfen.“
Das Problem daran ist: Genau das hat Prof. Dr. Hajek in London im vergangenen Jahr nachgewiesen. Und zwar fast doppelt so effektiv wie Nikotinpflaster und andere Ersatztherapien.
Michal Dobrajc, Vorsitzender des Händlerverbandes VdeH, sagte in einer kurzen Stellungnahme dazu: „Da die Kampagnenwebsite eine sehr nahe Kopie der Aufklärungsseite des Neuseeländischen Gesundheitsministeriums ist, müsste also auch diese staatliche Behörde irreführend verharmlosen. Das ist grotesk.“
So ist die ganze Argumentation zweifelhaft.
Diese Kampagne beziehungsweise die dadurch getroffene Aussage würde gegen das Werbeverbot verstoßen. So zumindest die Auffassung der Verbraucherzentrale.
Der VdeH ist sich jedoch sicher, dass die Abmahnung keinen Bestand hat. Und so wurden die Mitglieder heute Nachmittag aufgefordert sich zu melden, wenn sie eine solche Abmahnung erhalten haben.
Gefordert wird lediglich eine Abmahnpauschale von 202,13 Euro, inklusive Mehrwertsteuer. Und natürlich eine Unterlassungserklärung. Die Abgemahnten sollen es bis zum 13. Februar unterlassen „im Internet für den Konsum von E-Zigaretten durch die Beteiligung an der Kampagne E-zigaRTETTENleben zu werben.“
„Das Vorgehen der Verbraucherzentrale ist höchst befremdlich. Händler, aber auch Blogger und Youtuber, werden dafür abgemahnt, dass sie Informationen von Dritten verbreiten und die Aufklärungskampagne unterstützen. Der Kampagne selbst wird vorgeworfen, sie würde das Dampfen auf irreführende Weise verharmlosen. Was absolut haltlos ist, denn alle Aussagen werden mit Zitaten, Studien und anderen wissenschaftlichen Quellen belegt. […]
Das hätte zur Folge, dass sie wissenschaftliche, belegbare Fakten nicht mehr kommunizieren dürfte.“
Michal Dobrajc, Vorsitzender VdeH, 30.01.2020
Werbung für E-Zigaretten oder für eine E-Zigarette?
Die Mahnung kann eigentlich nur ins Leere laufen.
Zu viele Dinge sind schlicht unpassend.
Wechselt ein Schwerstabhängiger mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch den Tabakkonsum zur E-Zigarette, ist diese sehr wohl geeignet, sein Leben zu retten.
Diese Aussage ist durch mehrere Wissenschaftler entsprechend belegt:
„Wir können in zehn Jahren sechs bis sieben Millionen Leben retten, wenn […] alle Raucher auf E-Zigaretten umsteigen.“
Prof. Dr, David B. Abrams, New York University
„Die E-Zigarette könnte jedes Jahr fünf Millionen Menschenleben retten. Mehr als an Aids, Malaria, Tuberkulose und Meningitis zusammen sterben. Die E-Zigarette könnte die größte medizinische Erfindung seit der Impfung sein.“
Prof. Dr. David Nutt, Imperial College London
Hinzu kommt, dass die Abmahnung unterstellt, dass illegal für E-Zigaretten geworben wurde.
Das zitierte Tabakerzeugnisgesetz untersagt jedoch per Definition laut § 2, 6 nur eine Kommunikation mit der „direkten oder indirekten Wirkung, den Verkauf eines Erzeugnisses zu fördern“.
In diesem Fall wird jedoch nicht der Verkauf eines Erzeugnisses gefördert. Sondern höchstens einer Produktgruppe. Es steht nirgendwo, man solle ein bestimmtes Produkt kaufen.
Würde diese Argumentation verfangen, dürfte niemand mehr sagen, dass E-Zigaretten weniger schädlich sind.
Auf der verlinkten Homepage der Kampagne steht nirgendwo irgendein Hinweis zu einem bestimmten Produkt. Sie klärt lediglich über die Vorgänge in den USA und das tatsächliche Risiko auf.
Merkwürdigkeiten
Es ist schon merkwürdig, dass die Verbraucherzentrale in Stuttgart ausgerechnet auf diese Kampagne aufmerksam wird. Während es täglich sehr viel gravierendere Verstöße im Internet gibt.
Merkwürdig ist auch, dass offenbar nur kleine Einzelhändler abgemahnt wurden. Und sogar der YouTuber Thomas Steamshots, der das Logo auf seiner Homepage verlinkt hat.
Auch dass die Kampagne selber, beispielsweise über das Impressum der verlinkten Homepage, nicht abgemahnt wurde, ist sehr merkwürdig.
Und für den, der sich in der öffentlichen Debatte etwas auskennt, ist es sehr merkwürdig, dass die Verbraucherzentrale genau die Argumente benutzt, die sonst von Gesundheitsorganisationen angebracht werden.
Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit Simon Bauer von Vape Scene Investigation. Der gesundheitsbedingt derzeit nichts veröffentlichen kann. Und daher das Thema an mich weitergereicht hat.
Natürlich ist es schlecht für die Kampagne, wenn die Leute nun ihre Unterstützung zurückziehen.
Andererseits sehen wir uns jedoch in der Pflicht, darüber zu informieren. Vor allem die vielen Einzelhändler, die die Kampagne unterstützen.
Sie soll schließlich helfen, nicht schaden.
Homepage der Kampagne: https://ezigarettenleben.de/
Joey Hoffmann
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