- Einfluss auf Dampferinitiativen durch die Tabaklobby
- Was Politiker sehen
- Eine Chance wird verschlafen
EZigaRettenLeben
Spätestens seit dem Beschluss der Tabakproduktrichtlinie der Europäischen Union haben Dampfer unzählige Petitionen gestartet. Die meisten davon im Ansatz bereits aussichtslos und erwartungsgemäß noch vor dem Erreichen der Mindeststimmen verpufft.
Doch im vergangenen Jahr wurden gleich zwei größere Initiativen gestartet, die wenigstens halbwegs erfolgversprechend waren.
Zum einen die Kampagne EZigaRettenLeben, die von vielen YouTubern unterstützt wurde.
Im Nachhall der EVALI Krise wurde eine Homepage gestartet und es wurden Flyer gedruckt, die über die tatsächlichen Hintergründe der angeblichen Toten durch die E-Zigarette in den USA aufklären sollten.
Unterstützer dafür waren nicht nur Prof. Dr. Bernd Mayer, der bekannte Pharmakologe, Toxikologe und Dampfer von der Universität Graz. Sondern auch Prof. Dr. Heino Stöver, Soziologe und Suchtforscher der Frankfurter University of Applied Science.
Neben vielen YouTubern und Influencern stand auch VAPERS.GURU unter den Unterstützern.
Wie naiv.
Denn irgendwie wurde dann langsam deutlich, dass die Initiative wohl doch nicht ohne Hilfe und nur durch Dampfer initiiert wurde.
Wer tatsächlich die Homepage gestartet und die ersten Flyer bezahlt hat ist bis heute nicht klar. Selbst denen nicht, die sich engagiert hatten oder ihren Namen dafür gegeben haben.
Klar zu benennen dahinter ist jedoch der VdeH. Und da British American Tobacco als Mitglied auch „Projekte unterstützt“ kann man sehr leicht auf die Idee kommen, dass die Initiative auf den Tabakkonzern zurückgeht.
Der größte deutsche Influencer Thomas „Steamshots“ Frohnert befindet sich aktuell noch in einem Rechtsstreit. Und im Mai entschied die 7. Zivilkammer des Landgerichts Trier zugunsten der Wettbewerbszentrale Frankfurt, dass das Logo der Kampagne im gewerblichen Rahmen unzulässig ist. Weil es impliziert, E-Zigaretten seien gesundheitlich unbedenklich.
Das Urteil erging gegen die VaporExMachina GmbH & Co KG, dem Unternehmen des Geschäftsführers des VdeH Michal Dobrajc.
VapingIsNotTobacco
Auf der Mitgliederversammlung 2018 beschloss das BfTG einstimmig eine Bürgerinitiative gegen die Überregulierung auf europäischer Ebene zu unterstützen. Mit durchaus sinnvollen Forderungen, die eigentlich auch jeder Konsument unterschreiben könnte.
Diese international organisierte Kampagne ging offenbar von einer Kommunikationsagentur mit Sitz in Brüssel aus, die auch für Imperial Brands arbeitet.
Die Veröffentlichung war annähernd professionell, auch VAPERS.GURU berichtete über das Unterfangen und unterstützte es.
Eine Bürgerinitiative ist vergleichbar mit einer Petition auf EU-Ebene. Es gibt sehr differenzierte Bestimmungen, was dafür erreicht werden muss. Neben einem Quorum von einer Million Unterschriften müssen diese aus sieben verschiedenen Ländern kommen.
Trotz Twitter Account, Facebook Seite, halbwegs regelmäßiger Postings und allem, was eine Kommunikationsagentur sonst so im Standard-Repertoire hat, ist der Versuch jedoch mit Anlauf vor die Wand gefahren.
Vielleicht hätte man Das Kartell fragen sollen, die den Hamburger Bahnhof medienwirksam gepflastert haben.
Ausschlaggebend war aber wohl nicht die mangelnde Reichweite.
Auf dem Portal der EU, auf der die Finanziers solcher Bürgerinitiativen genannt werden müssen, prangte plötzlich als erstes der Tabakkonzern Imperial Brands.
Das führte nach Bekanntwerden zum Einbruch der Unterstützung bei den Dampfern. Gerüchte wurden laut. Selbst die Tatsache, dass die Verbände mehr als die angegebenen 10.000 Euro vom Imperial investiert hatten, konnte den Karren nicht mehr aus dem Dreck ziehen.
Die Unterstützung in Frankreich brach weg, ein Konsumentenverband soll gar von der Unterstützung abgeraten haben. Der Verantwortliche in Großbritannien war laut Gerüchten nicht mehr erreichbar.
Und der Soziologe und Wissenschaftsjournalist Dietmar Jazbinsek argumentierte in seinem Vortrag auf der letztjährigen Messe Hall of Vape in Stuttgart, die Tabakindustrie wolle sich mit solchen Kampagnen durch Astroturfing in die Branche einschleichen.
Wagen wir einen Perspektivwechsel
Wagen wir für einen Augenblick einen Perspektivwechsel.
Seien wir einmal Politiker.
Eine Stimme der Konsumenten erreicht uns nicht. Einfach, weil es keine gibt.
Was wir als Bundestagsabgeordneter stattdessen mitbekommt ist, dass der Hamburger Hauptbahnhof für einen Monat für Millionen von Reemtsma mit Werbung für eine E-Zigarette gepflastert wird. Die an eine überwiegend junge Zielgruppe kommuniziert und verschenkt wird.
Wir lassen uns ein Memo schreiben, wie im Internet für die E-Zigarette geworben wird. Und dort sehen wir dann, wie der YouTuber Younes Jones, der Promi Big Brother Simon Desue oder der Rapper Eko Fresh auf der jugendaffinen Plattform Instagram Werbung für E-Zigaretten machen.
Was de facto eigentlich untersagt wäre, wenn nicht eine Agentur geschickt die geltenden Gesetze umschiffen würde.
Trotzdem vereinbaren wir einen Gesprächstermin mit Vertretern der E-Zigaretten Branche. Und plötzlich sitzen die gleichen Lobbyisten und Agenturen wieder in unserem Büro, die vorher mit uns über Tabak gesprochen haben.
Dann möchten wir wissen, wie das denn so am Markt aussieht. Und unsere Mitarbeiterin gibt uns eine Auswertung, dass Vype von British American Tobacco und My Blu von Reemtsma an locker 10.000 Kiosken und Tankstellen zu haben sind.
Und wir lesen, dass der weltgrößte Tabakkonzern sich mit einigen Milliarden in genau die E-Zigarette eingekauft hat, die in den USA eine Nikotin-Epidemie unter Jugendlichen ausgelöst hat.
Und dann bekommen wir mit, dass Unternehmen wie Riccardo und „die Größten im tabakaffinen Markt“ Niko Liquids zusammen mit Imperial Brands (West), Reemtsma (John Player Special), British American Tobacco (Lucky Strike) und Japan Tobacco (Camel) in einem Verband organisiert sind. Deren Chef der gleiche ist, der den Deutschen Zigarettenverband vertritt und in Berlin als der größte Tabaklobbyist bekannt ist.
Stellen wir uns das alles einmal für einen Augenblick vor. Und dann stellen wir uns die ehrliche Frage:
Wie soll ein Politiker die E-Zigarette nicht als Produkt der Tabakindustrie sehen?
Ein Traumbild verblasst
Nach wie vor geistert das Märchen durch die Dampferblase Big Tobacco wolle die E-Zigarette bekämpfen. Doch das ist Unfug.
Alle großen Tabakkonzerne haben eigene, alternative Produkte am Markt. Sie wollen die E-Zigarette nicht bekämpfen. Sie wollen selber Geld damit verdienen. Das Wachstum ist zu verlockend und die Tabak Umsätze gehen in Europa zurück.
Und dazu wollen sie den Markt beherrschen.
Denn die Konkurrenz der offenen Systeme ist unliebsam. Sie läuft der Logik der Tabakmultis entgegen. Deren oberste Prämisse ist Markenbindung.
Die Konzerne konkurrieren nicht mit der E-Zigarette. Sie konkurrieren untereinander. Sie wollen sich gegenseitig Marktanteile abnehmen. So, wie sie es seit Jahrzehnten kennen und können.
Die E-Zigaretten Branche ist nur eine Fußnote.
Deshalb sind offene Systeme nicht vielversprechend. Sonst wären sie längst in dem Markt eingestiegen. Bezahlen könnten sie das aus der Portokasse. Und offenbar gibt es genug Unternehmen, die bereits sind sich kaufen zu lassen.
Einzig British American Tobacco versucht es derzeit mit einzelnen Produkten ihrer Vype. Doch auch dort ist das Erbe des Tabaks zu spüren, man will Flag Stores und eine Rundumversorgung des markentreuen Kunden.
Unterstützt wird das durch die Unternehmen der E-Zigarettenbranche, die so groß geworden sind, dass sie ausschließlich das kaufmännische Gewinnstreben als Ziel haben. Und diejenigen, die es von vorn herein hatten und nur in den Markt eingestiegen sind, weil die Zuwachsraten vielversprechend waren.
Das Bild der unabhängigen und von Tabak losgelösten E-Zigarette ist ein verblassender Traum. Von Dampfern für Dampfer war gestern.
Und diejenigen Dampfer, die sich nach wie vor in diesem Selbstverständnis wohlfühlen, drücken den Wecker aus, drehen sich noch einmal in ihren Kissen und hängen dem selbstzufriedenen Bild im Halbschlaf nach.
Die Frage ist, ob sie noch erwachen, bevor das Bild ganz verschwindet.
In der Marktentwicklung ist jetzt die Phase angebrochen sich deutlich vom Tabak zu distanzieren. Es ist die letzte Chance.
Ansonsten wird der E-Zigarette der Weg bevorstehen, auf den die Tabakzigarette derzeit getrieben wird. Aromenverbot, geschlossene Systeme, strenge Regulierungen, Plain Packaging und Aussterben des Fachhandels.
Die E-Zigarette ist eine großartige Chance der Harm Reduction.
Laut dem hoch angesehenen Suchtforscher Prof. Dr. David Nutt, der sogar von der britischen Regierung konsultiert wird, hätte die E-Zigarette die Chance mehr Menschenleben zu retten, „als an Aids, Malaria, Tuberkulose und Meningitis zusammen sterben. Die E-Zigarette könnte die größte medizinische Erfindung seit der Impfung sein.“
Doch wir verschenken diese Chance. Sie wird zerrissen zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Pharmalobby, den Gewinnstreben der Tabakindustrie, der Gegenwehr der nicht minder gewinnorientierten Gesundheitslobby und der Ahnungslosigkeit der Politiker. Die den Einflüsterungen der Lobbyisten ausgesetzt sind.
Und der Bereitwilligkeit der eigenen Branche Ideale aufzugeben. Wenn man sie je hatte.
Wir alle sind dabei diese Chance zu verschlafen. Wir sind dabei, diese Chance zu verkaufen.
Die Händler, die ihre Unternehmen meistbietend an Tabakunternehmen abtreten. Die Hersteller, die sich die Rechnungen von Tabakkonzernen bezahlen lassen. Die Verbände, die das Geld der Tabakmultis annehmen und öffentlich argumentieren, sie würden für die E-Zigarette eintreten. Die Unternehmen, die akzeptieren, sich von Lobbyagenturen der Tabakindustrie vertreten zu lassen und sich dabei kurzsichtig einreden, sie würden schon nicht gefressen werden, wenn sie den Wolf füttern.
Und letztendlich auch die Dampfer, die bedenkenlos und angetrieben von Influencern die Produkte dieser Unternehmen kaufen.
Es war ein schöner Traum. Zehn Jahre hat er gedauert. Doch das Bild ist schon so blass, es ist kaum noch zu erkennen.
Wir haben es nur noch nicht gemerkt.
Themenschwerpunkt: Die Übernahme der E-Zigarette durch Big T
Teil 1: Tabakkonzerne tun was Tabakkonzerne können
Teil 2: Big Business und Einflussnahme
Teil 3: Ein Traum verblasst
Joey Hoffmann
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