Die große Koalition plant eine Besteuerung von Liquids. Die Bemessungsgrundlage soll der Nikotingehalt sein.
Geplant ist eine Steuer von 4 Cent pro Milligramm Nikotin. Dadurch würde ein Liquid, das heute 5,- Euro kostet, mit 8,- Euro besteuert werden.
Die Pläne verfolgen ausschließlich fiskalische Zwecke: es sollen mehr Gelder eingenommen werden. Der Gedanke der Harm Reduction und das Interesse der öffentlichen Gesundheit werden vom Finanzministerium schlicht ignoriert. Obwohl selbst Skeptiker inzwischen einräumen, dass die E-Zigarette exponentiell weniger gesundheitsschädlich ist, als die Tabakzigarette.
Das zuständige Finanzministerium unter der Leitung des Kanzlerkandidaten der SPD Olaf Scholz hat Organisationen zu einer Stellungnahme eingeladen.
Der Händlerverband Bündnis für Tabakfreien Genuss BfTG hat seine Stellungnahme gestern übersendet. Und diese hat es in sich.
Berechnungsgrundlage hinfällig
Zum ersten setzt der Referentenentwurf des Gesetzes voraus, dass 1mg Nikotin in Tabakzigaretten einem Konsum der gleichen Menge von Nikotin aus einer E-Zigarette entspricht.
Dies ist nach Auffassung des BfTG bereits grundlegend falsch. Womit die ganze Begründung der Steuerhöhe hinfällig wäre.
Belegt wird das durch eine beigefügte Stellungnahme des renommierten Prof. Dr. Bernd Mayer, Leiter des Instituts für Pharmazeutische Wissenschaften der Universität Graz.
Mayer hatte bereits für Aufsehen gesorgt, als er 2014 die letale Dosis von Nikotin untersucht hat. Er konnte nachweisen, dass alle Annahmen über die Giftigkeit von Nikotin aus dubiosen Veröffentlichungen von Beginn des vergangenen Jahrhunderts stammen. Die sich wiederum weitere 50 Jahre zurückverfolgen lassen. Und seitdem nie überprüft wurden.
Mayer wird auch als gerichtlicher Gutachter gehört.
Der Wissenschaftler bescheinigt in seiner Stellungnahme, dass das Nikotin aus E-Zigaretten eine sehr viel geringere Bioverfügbarkeit als bei Tabakzigaretten hat.
Durch die Trägerstoffe (Rauch im Gegensatz zu Dampf) gelangt es langsamer und stark verringert in den Blutkreislauf. Wodurch ein Nutzer von E-Zigaretten dreimal so viel Nikotin konsumieren muss, um eine vergleichbare Sättigung zu erreichen.
„Die Behörde geht also davon aus, dass 1 mg Nikotin in Tabakrauch 1 mg Nikotin in Liquids entspricht. Diese schlichte Annahme mag plausibel und naheliegend erscheinen, widerspricht aber den Tatsachen.“
Prof. Dr. Bernd Mayer, Universität Graz, „Vergleich des Nikotinbedarfs von Rauchern und Nutzern von E-Zigaretten“, 26.02.2021
Gesetzentwurf verfassungswidrig
Der zweite Paukenschlag ist, dass der Verband nach juristischer Prüfung eine solche Steuer für verfassungswidrig hält.
Nachdem das Finanzministerium sich offensichtlich nur an fertigen Tabakzigaretten orientiert hat, zieht das BfTG auch den so genannten Feinschnitt zum Selberdrehen und den Tabak zum Stopfen von Filterzigaretten als Vergleich heran.
Daraus ergibt sich die Berechnung, dass der Gebrauch von E-Zigaretten bereits ohne Steuer teurer als der Konsum von selbstgestopften Tabakzigaretten sein kann.
Der Gesetzesentwurf sieht eine Besteuerung von bis zu 160 Prozent vor.
Dies käme einer „erdrosselnden Wirkung“ gleich. Und die widerspricht nach Auffassung des BfTG dem Gleichheitsgrundsatz, der in verschiedenen Artikeln der Verfassung Eingang findet.
Vereinfacht gesagt: Der Handel würde durch eine solche Besteuerung unrentabel gemacht, was einer Bevorzugung der Tabakzigarette gleichkäme. Es wäre ein Eingriff des Staates in den Markt. Der über alle Voraussetzungen für solche Eingriffe hinausgeht.
BfTG geht weiter
Die Stellungnahme an das Finanzministerium enthält noch andere Argumente.
So weist das BfTG darauf hin, dass die EU derzeit sehr konkret selber an einer Besteuerung arbeitet. Die Pläne der Regierung würden dem jedoch unnötig vorgreifen und dadurch der Harmonisierung widersprechen.
Zudem sei die damit geplante Besteuerung mehr als fünf Mal so hoch, wie das, was auf Ebene der EU derzeit im Gespräch ist.
Darüber hinaus seien die prognostizierten Steuereinnahmen massiv überhöht.
Damit geht das BfTG in seiner Stellungnahme deutlich weiter als andere.
Nicht nur durch den Vorwurf der Erdrosselungswirkung und damit dem Verstoß gegen die Verfassung. Was sicher einige Politiker aufhorchen lassen dürfte, denn kein Politiker lässt seinen Gesetzentwurf gerne später von einem Gericht kassieren.
Sondern auch durch die Stellungnahme eines der angesehensten Wissenschaftler im Bereich des Nikotins weltweit, die die Errechnung der Steuer ad absurdum führt.
„Eine Tabaksteuer für E-Zigaretten macht schon alleine deshalb keinen Sinn, weil E-Zigaretten keinen Tabak enthalten. Wenn jetzt aber auch noch Liquids durch den Entwurf dermaßen überteuert werden sollen und dadurch Rauchen günstiger wird als Dampfen, hat das Ministerium wirklich alles falsch gemacht. Wenn das BMF das geplante Gesetz nicht entscheidend verändert, werden wir eine Verfassungsklage anstreben. Dafür gibt es sehr gute Argumente.“
Dustin Dahlmann, Vorsitzender BfTG, persönl. 02.03.2021
Pressemitteilung und Stellungnahme an das Ministerium inklusive Stellungnahme durch Prof. Dr. Mayer werden zum Download bereitgestellt. (Link unten)
Stellungnahme Volltext (Guru Server, PDF): https://www.vapers.guru/wp-content/uploads/2021/03/BfTGStellungnahmeTabStMoG.pdf
Pressemitteilung (Guru Server, PDF): https://www.vapers.guru/wp-content/uploads/2021/03/BfTGPMTabStMoG.pdf
Joey Hoffmann
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