Das Finanzministerium unter Kanzlerkandidat Olaf Scholz von der SPD plant eine Modernisierung der Tabaksteuer. Dabei soll erstmalig Liquid für E-Zigaretten besteuert werden.
Berechnungsgrundlage hierfür soll der jeweilige Nikotingehalt sein.
In einer wissenschaftlich nicht nachvollziehbaren Umrechnung vergleicht das Ministerium im Referentenentwurf das Liquid mit Tabakzigaretten und kommt so auf eine irrwitzige Rechnung. Handelsübliche zehn Milliliter Fläschchen Liquid oder so genannte NikShots sollen demnach ab 2024 mit bis zu acht Euro besteuert werden.
Sowohl Händler- als auch Konsumentenverbände protestieren, selbst der Zoll stellt sich den Plänen entgegen. Zumal es ein überflüssiger deutscher Alleingang wäre, die Tabaksteuer steht im letzten Quartal in Brüssel auf der Agenda.
Zustimmung zum Entwurf bröckelt
Der Rückhalt für die Steuerpläne scheint nicht so groß zu sein, wie anfänglich befürchtet.
Sowohl Grüne wie auch Linke fordern eine Steuer, die dem Gesundheitsrisiko angemessen ist. Doch überraschenderweise kamen bereits am Tag des Kabinettsbeschlusses auch Gegenstimmen aus der CDU.
Ein Rumoren aus Berlin und den Bundesländern zeigte, dass es hinter den Kulissen scheinbar hoch hergeht. Hinzu kamen die Stellungnahmen der Interessenverbände, die offenbar einigen Politikern außerhalb des Finanzministeriums erreicht haben.
Wie die Rheinpfalz heute berichtet, scheint das Gesetz die Zustimmung der CDU/CSU zu verlieren. Ohne den Koalitionspartner wäre es nicht umsetzbar.
Im Gespräch mit der Rheinpfalz sagte der Steuerexperte der CSU Sebastian Brehm, die Steuer bei den weniger schädlichen Produkten sollte nur halb so hoch ausfallen wie geplant. Liquids für E-Zigaretten will er niedriger besteuern, dafür solle die Steuer auf Tabakzigaretten deutlich höher angesetzt werden.
„Der Entwurf aus dem Finanzministerium ist nicht zustimmungsfähig, da er weder die versprochene Lenkungswirkung noch die erhofften Steuermehreinnahmen bringen wird.“
Sebastian Brehm, MdB, CSU, Die Rheinpfalz, 18.04.2021
Mehreinnahmen und Lenkungswirkung
Diese Aussage bedeutet, dass die Lenkungswirkung durch Schmuggel und Privatimporte einen Schwarzmarkt zur Folge haben könnten, der den Sinn der Verteuerung – wie den Jugendschutz – unterläuft. Genau das, was die Verbände und der Zoll argumentiert haben.
Und die Politiker scheinen zu merken, dass die von Olaf Scholz in Aussicht gestellten Mehreinnahmen von fast drei Milliarden nicht wahrscheinlich sind.
Zumal eine solche Steuer viele Unternehmen in die Insolvenz treiben würde.
Auch Jan Mücke, Chef-Lobbyist der Tabakindustrie und Geschäftsführer des Bundesverbandes der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse BVTE „sieht die Gefahr, dass die Produkte im großen Stil aus dem EU-Ausland geschmuggelt oder als Fälschungen auf dem Schwarzmarkt gehandelt werden.“
Alte Bekannte
Interessant ist auch, welche alten Bekannten sich zu Wort melden.
Der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Lothar Binding lehnt laut Rheinpfalz jegliche Abstriche an dem Gesetzentwurf kategorisch ab. Und greift dazu auf das alte Gespenst der längst widerlegten Gateway Hypothese zurück. „Die Industrie zielt auf neue Käuferschichten bei der Jugend und befürchtet, dass die preissensiblen Heranwachsenden durch die Steuer abgeschreckt werden könnten.“
Das ist wenig überraschend, ist Binding doch gut mit dem Aktionsbündnis Nichtrauchen vernetzt, das eine pharmafreundliche Quit or Die Position vertritt.
Bei der Geschäftsführerin der Lobbyorganisation Martina Pötschke-Langer war er zu deren Zeit am DKFZ regelmäßiger Gast beim Nichtraucherfrühstück.
Man kann den Eindruck bekommen, dass Lobbyisten auf das Ministerium eingewirkt haben. Und die zuständigen Politiker mit Blick auf die Bundestagswahl ohne weitere Fachkenntnis einen Entwurf durchgewunken haben.
Das würde vielleicht auch erklären, dass die Bundesregierung noch im Januar auf kleine Anfragen der Grünen und der Linken geantwortet hat, dass keine Änderung der Tabaksteuer geplant sei. Obwohl seit mindestens Oktober daran gearbeitet wurde.
Am kommenden Donnerstag soll der Gesetzentwurf im Bundestag in der ersten Lesung vorgestellt werden. Dort wird sich entscheiden, in welche Ausschüsse er geschickt wird. Und vielleicht sogar, ob er überhaupt eine Chance hat.
Joey Hoffmann
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