Es ist offiziell: Grundzutaten wie Glycerin und Propylenglykohl werden besteuert werden. Doch der Zoll setzt noch einen drauf. Der Konsum unversteuerter Zutaten wird zur Straftat.
Das beschlossene Tabaksteuermodernisierungsgesetz schlägt Wellen. Ab Juli 2022 wird eine Tabaksteuer auf Liquids erhoben werden. Zunächst 16 Cent pro Milliliter, in der letzten Stufe ab Januar 2026 dann 32 Cent.
Es ist offensichtlich, dass der Gesetzgeber dabei ausschließlich fertige Liquids in den handelsüblichen 10 Milliliter Fläschchen im Auge hatte. Unbeachtet blieben die Halbfertigprodukte wie Aromen, Shake & Vape oder Grundstoffe wie Propylenglykol und Glycerin.
Dafür wurde der Begriff „Substitute für Tabakwaren“ ins Steuerrecht eingeführt. Diese definieren alles, was zum Konsum durch eine E-Zigarette geeignet ist. Also auch nikotinfreie Liquids.
Nicht öffentliche offizielle Information
Fraglich war bisher, ob auch die Halbfertigprodukte und Grundstoffe besteuert werden sollen.
Der Händlerverband BfTG führte am 19. August ein Gespräch mit hochrangigen Vertretern des zuständigen Finanzministeriums und des Zolls. In dieser Besprechung wurde bestätigt, dass man sich an der Definition des Tabakerzeugnisgesetzes orientieren würde. Und somit an der Zweckbestimmung.
Denn vor allem Propylenglykol und Glycerin werden auch außerhalb des Fachhandels für E-Zigaretten frei gehandelt. Sie finden in vielem Verwendung, von Enteisungsmitteln bis zum Wasser für Tannenbäume. Dampfbare Aromen findet man ebenfalls viele, unter anderem bei der Herstellung von Speiseeis.
Bisher hatten sich Zoll und Ministerium nicht offiziell dazu geäußert. Der Gesetzgeber hat ein Gesetz hingestellt und die Behörden mussten nun interpretieren, was der Gesetzgeber meint und bezweckt.
Heute wurde Verbänden und anderen Interessenvertretern ein Info-Paket durch die Generalzolldirektion übersendet. Mit dabei sind Angaben zum Transport, zur Verwendung der Zoll-Banderolen und ganz nebenbei ein Absatz, der es für Dampferinnen und Dampfer in sich hat. (Link unten)
Selbermischen illegal
In dem Absatz geht es um den Umgang mit unversteuerten Substituten. Also allem, was zur Herstellung von Liquids verwendet werden kann.
Die Generalzolldirektion führt unmissverständlich aus, dass jeder zur Herstellung von Liquids eine „Erlaubnis als Steuerlagerinhaber“ benötigt.
Das gilt auch für Konsumenten, die nur für den Eigenbedarf Liquids selbermischen.
„Eine Herstellung ohne Erlaubnis liegt – neben einer gewerblichen Herstellung – auch vor, wenn unversteuertes Glyzerin oder Aroma in einer E-Zigarette verwendet wird, da dem Glyzerin oder dem Aroma hierdurch eine entsprechende Zweckbestimmung als Mischkomponenten für E-Zigaretten gegeben wird und somit der Steuergegenstand Substitute für Tabakwaren (im verbrauchsteuerrechtlichen Sinne) hergestellt wird.“
Generalzolldirektion, „Infoschreiben Verbände“, 14.10.2021
Auch diese Formulierung weist Lücken auf. Beispielsweise wird nicht sauber zwischen Herstellung und Verwendung getrennt, Propylenglykol wird nicht erwähnt. Da dies aber ausschließlich in Händen des Finanzministeriums und des Zolls liegt, muss man davon ausgehen, dass dies bis Mitte 2022 noch konkretisiert wird. Ein Beschluss des Bundestages ist dafür nicht nötig.
Bis zu 10 Jahre oder 50.000 Euro
In der Konsequenz bedeutet das: jegliches Selbermischen wird illegal. Durch die Hintertür, weil jede legale Möglichkeit unrealistisch wird.
Glycerin oder Propylenglykol werden, wenn sie korrekt versteuert sind, pro Liter mit 320,- Euro Tabaksteuer belegt. Eine Flasche Shake & Vape Aroma mit 60 Milliliter Inhalt müsste mit fast 20,- Euro versteuert werden. Dadurch wird das weniger gesundheitsschädliche Dampfen weit teurer als Tabakzigaretten.
Kaum ein Konsument wird das bezahlen, wenn es in der Drogerie oder im Internet medizinisch reines Glycerin für unter 10,- Euro pro Liter gibt.
Die Generalzolldirektion weist in ihrem heutigen Schreiben explizit darauf hin, dass eine Zuwiderhandlung eine mögliche „Steuerstraftaten nach § 370 AO“ (Geldstrafe oder bis zu fünf Jahre Haft, schwere Fälle bis zu zehn Jahre) oder eine „Steuerordnungswidrigkeiten nach § 381 Abs. 1 Nr. 2 AO“ (Geldbuße bis zu 5000 Euro, ersatzweise nach § 378 bis zu 50.000 Euro) geahndet werden kann.
Konsumenten werden in die Illegalität gedrängt
Es ist weiterhin fraglich, wie der Markt darauf reagieren wird.
Ein großer Teil der Konsumentinnen und Konsumenten decken ihren Bedarf durch das deutlich preiswertere Selbermischen. Zudem benötigen Halbfertigprodukte wie Aromen und Shake & Vape zwingend die Grundzutaten. Die dann niemand mehr kaufen wird.
Erste Hersteller reagieren bereits und haben begonnen, Produkte in zehn Milliliter Fläschchen anstatt der Shake & Vape Version an dem Markt zu bringen. Ob dies langfristig hilft, ist fraglich.
Zudem stehen tausende Arbeitsplätze auf dem Spiel. Die online und offline Vape Shops, der Fachhandel, generieren ihren Umsatz vor allem mit diesen demnächst zu besteuernden Flüssigkeiten.
Der Zoll dürfte damit vor unlösbaren Aufgaben stehen. Um das durchzusetzen müssten nicht nur sämtliche Sendungen der vielen Vape Shops im europäischen Nachbarland kontrolliert werden. Sondern auch die Liquids in den E-Zigaretten der Dampfer.
Vielleicht wird man auf kommenden Dampfer-Messen häufiger mal Beamte in Uniform sehen.
Inzwischen kommen viele Gerüchte auf, dass British American Tobacco an diesem Gesetz gleichsam mitgeschrieben hat. Für sie wird die Steuer kaum spürbar sein, die unliebsame Konkurrenz der offenen Systeme wird benachteiligt. Gespräche mit Vertretern des Finanzministeriums haben vor der Verabschiedung stattgefunden. (Link unten)
Unterm Strich werden Konsumenten in die Illegalität gedrängt. Konsumenten eines legalen Produktes.
Von der weit geringeren Schädlichkeit ist schon lange keine Rede mehr.
Mitteilung der Generalzolldirektion (Guru Server, PDF): https://www.vapers.guru/wp-content/uploads/2021/10/Infoschreiben_Verbaende.pdf
Joey Hoffmann
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