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Zoll und Liquidsteuer: Schlupflöchern das Tor geöffnet

Der Sargnagel für den deutschen Einzelhandel

Am vergangenen Montag veröffentlichte die Generalzolldirektion ergänzende Informationen und Hinweise zu Einfuhrbestimmungen für Liquids für E-Zigaretten.

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Ab dem 1. Juli dieses Jahres wird die sog. Liquidsteuer fällig. Sie wurde auf Betreiben des Finanzministeriums unter dem heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz beschlossen. Und von der scheidenden Bundesregierung kurz vor Torschluss durchgedrückt.

Damit werden in ein paar Monaten pro 10 ml Liquid 1,60 Euro Steuer erhoben. Das wird sich stufenweise steigern. Ein handelsübliches Fläschchen 10ml Liquid ab Januar 2026 mit 3,20 Euro Steuer belegt werden.

Die genaue Umsetzung war zunächst unklar. Bis im August ein Gespräch zwischen dem Händlerverband BfTG, dem Finanzministerium und der Generalzolldirektion Klarheit brachte. Besteuert werden auch nikotinfreie Komponenten wie Aromen, Shake & Vape und Grundzutaten wie Propylenglykol und Glycerin.

Zusätzliche Steuer ab 2026
10 ml NikShot (derzeit ca. 1,- Euro) = 3,20 Euro
10 ml Liquid (derzeit ca. 5,- Euro) = 3,20 Euro
20 ml Shake & Vape (Longfill) = 6,40 Euro
100 ml Shake & Vape (Shortfill) = 32,- Euro
1 Liter Glycerin, Propylenglykol oder Gemische (derzeit ca. 10,- Euro) = 320,- Euro

Fällig wird die Steuer immer dann, wenn diese Komponenten zur Verwendung in einer E-Zigarette angeboten werden. Glycerin beispielsweise wird es im Handel also weiterhin steuerfrei geben. Aber nicht im Fachhandel für E-Zigaretten.
Ein Liter Glycerin müsste in einem Vape-Shop etwa 330,- Euro kosten, in einem Baumarkt 10,- Euro.

Das Finanzministerium machte auch deutlich, man wolle „nicht tatenlos“ bei einer Umgehung zusehen. Denn nach der Gesetzesauslegung stellt es eine Steuerhinterziehung dar, wenn man beispielsweise Glycerin im freien Handel kauft und in seiner E-Zigarette verwendet.
Das dürfte aber eher an Händler gerichtet sein, denn an Dampferinnen und Dampfer.

Tabakerhitzer wie Tabak

Nun hat die Generalzolldirektion weitere Informationen veröffentlicht (PDF).
Die Freimengen sollen sich am Rauchtabak orientieren. Also an Zigaretten, Zigarren, Feinschnitt- und Shisha-Tabak.

Bei der Richtmenge für Tabakerhitzer ist das relativ einfach. Es sind 800 Stück.
Die Reisefreimenge beträgt 250g. Beides entspricht vier Stangen bzw. 40 Schachteln.

Das verdeutlicht ein Problem, das bei der zeitnahen Berichterstattung vernachlässigt wurde: Es wird zwischen Richtmenge und Reisefreimenge unterschieden.

Reisefreimenge für Liquids

Als Reisefreimenge aus Drittländern für Privatpersonen wird eine monetäre Obergrenze veranschlagt. Diese sind 430,- Euro für Flug- und Schiffsreisen. Und 300 Euro für jeden übrigen Grenzverkehr.

Das bedeutet nach heutigem Markpreis in Deutschland könnte ein Dampfer leicht je 30 Flaschen Base, 60 Flaschen nikotinhaltiges Liquid oder so genannte NikShots oder 60 Flaschen Aroma importieren.

Und dann gibt es da ja noch die Richtmenge.

Das Verbringen

Als Richtmenge für das Verbringen von „Substituten für Tabakwaren“ aus anderen EU-Staaten werden ein Liter, jedoch höchstens 10 Kleinverkaufpackungen angegeben.
Die Frage ist also, was nun der Unterschied ist.

Das Steuerrecht definiert „verbringen“ als jede andere Beförderung aus einem anderen Land. Also auch den Versand.
Das bedeutet, dass eine Privatperson beispielsweise aus Frankreich oder Polen jederzeit einen Liter Flüssigkeit oder 10 10ml NikShots nach Deutschland schicken kann. Auch 10 Shake & Vape wären zulässig, selbst bei 100ml sind das noch „Kleinverkaufpackungen“.

Indirekt gesteht man ein, keine Vorstellung davon zu haben, welche Ausmaße das annehmen könnte.

Sobald belastbare praktische Erfahrungen bezüglich der Umfänge privat verbrachter Substitute für Tabakwaren vorliegen, ist eine Rechtsanpassung vorgesehen.

Generalzolldirektion, Ergänzende Informationen und Hinweise, 23. Dezember 2021, veröffentlich. 10.01.2022

Was das für Folgen haben dürfte, kann man sich leicht vorstellen.



Mögliche Umgehungen

Verschiedene Szenarien sind vorstellbar.

Privatpersonen, die in Grenznähe zu einem anderen Mitgliedsstaat leben, könnten sich als „Schmuggler“ betätigen. Indem sie Konsumentinnen und Konsumenten anbieten, für eine Erstattung der Spritkosten und einem kleinen Obolus eine Bestellung entgegenzunehmen.
Vor allem in der digital gut vernetzten Community dürfte es ein Leichtes sein, solche Verbindungen herzustellen. Für den Zoll ist es annähernd unmöglich, das systematisch zu unterbinden.

Das kann natürlich auch von der Organisierten Kriminalität genutzt werden. In dem so genannte Mulis nur mit dem legalen Einkauf im Grenzverkehr beschäftigt sind, während die „Dealer“ sich um den Absatz kümmern.
In wie weit das lohnenswert ist, ist jedoch fraglich. Denn man darf nicht vergessen, dass die Grundstoffe Glycerin, Propylenglykol und Aromen (wenn sie nicht gezielt für E-Zigaretten angepriesen werden) weiterhin steuerfrei zu kaufen werden. Man muss sich nur etwas auskennen und sie selber zusammenmischen.

Doch auch das „Verbringen“, also der Versandhandel, birgt Möglichkeiten.
Denn ein Unternehmer benötigt lediglich ein Lager im EU-Ausland. Verschickt er dann die Bestellungen bis zu einer Höchstmenge von einem Kilo und das Paket ist nicht als gewerblicher Versand zu erkennen, dürfte der Zoll kaum Möglichkeiten haben, das zu bemerken. Geschweige denn zu unterbinden.

Selbst wenn der Absender gewerblich ist, wird es schon schwierig. Der Zoll müsste das Paket öffnen, den Inhalt prüfen und beispielsweise bei einer neutralen Flasche Glycerin oder Aroma prüfen, wie sie angepriesen wurde.

Es ist davon auszugehen, dass einige findige Geschäftsleute da Ideen entwickeln werden.

Dampfen wurde nicht verstanden

Das Gesetz wird nicht so umsetzbar sein, dass es seinen erwünschten Zweck erfüllt.
Das Unverständnis des Gesetzgebers für die Praxis und die Vielfältigkeit spiegelt sich nun auch in der Umsetzung. Der Staat sieht die E-Zigarette zu sehr als Tabak-Zigarette, denn als Technik mit vielen Variablen.

Es ergeben sich für entschlossene Konsumentinnen und Konsumenten eine Vielzahl von Möglichkeiten. Die allesamt die Ordnungsbehörden unterlaufen. Von der Reisefreimenge über den „privaten“ Versand bis zur vermeintlich kleinkriminellen Nutzung der Produkte des allgemeinen Handels.

Diese Umsetzung zeigt nur sehr deutlich, was bereits der Ansatz des Gesetzes gezeigt hat: Der Gesetzgeber hat gar nicht verstanden, was er da reguliert. Und ignoriert, dass Deutschland sich mit einer solchen Steuer, umgeben von anderen Mitgliedsstaaten, in eine Ausnahmesituation versetzt. Und die angestrebte Harmonisierung unterläuft.

Die ersten Entwürfe des Tabaksteuermodernisierungsgesetzes sahen ausschließlich eine Besteuerung von nikotinhaltigen Flüssigkeiten vor. Damit wären sowohl die Konsumenten als auch der Fiskus besser gefahren. Was dabei herausgekommen ist, dürfte eine neue Definition einer Verschlimmbesserung sein.

Dieses Gesetz und diese Umsetzung wird genau zwei Ziele erreichen.
Zum ersten, dass weniger Raucher vom weit gesundheitsschädlicheren Tabak auf eine mindestens 95% weniger schädliche Alternative umsteigen.
Und zum zweiten, dass der Fachhandel mit einigen tausend Einzelhändlern gegenüber anderen derart benachteiligt wird, dass es tausende Arbeitsplätze kosten wird.


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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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