Gestern erschien in der HNA ein Artikel, in dem von einem Arzt vor der E-Zigarette gewarnt wird. Das ist nichts neues. Auch nicht, dass Falschinformationen gegeben und von der Presse nicht geprüft werden.
Neu ist jedoch, dass auch gleich für die eigenen Rauchentwöhnungskurse geworben wird.
Die Hessische/Niedersächsische Allgemeine (HNA) ist eine Lokalzeitung. Doch keine kleine. Ihre Reichweite wird mit über einer halben Millionen Lesern angegeben.
Gestern veröffentlichte die HNA einen Beitrag online unter dem Titel „E-Zigaretten schaden der Gesundheit: Lungenfachklinik Immenhausen warnt vor Schadstoffen“.
Mit etwas Erfahrung kann man bereits ahnen was kommt, wenn die Klinik schon in der Überschrift genannt wird: Ein Gefälligkeitsartikel, der im Grunde eine Umgehung der Werbeeinschränkungen ist.
Das hat in diesem Jahr an Fahrt aufgenommen, dahinter steckt Methode.
Geschrieben wurde er von der offenbar recht jungen Anna-Laura Weyh, die bisher über alle möglichen Themen veröffentlicht hat. Von Pussy Riot über die Kinderonkologie in Kassel bis zum Straßenbahnunfall.
Stichwortgeber war ein Prof. Dr. Stefan Andreas, der ärztliche Leiter der im Titel erwähnten Lungenfachklinik Immenhausen.
Bei solchen Texten ist es schwer zu differenzieren, welche Aussagen nun vom Arzt und welche von der Redakteurin stammen. Das ist üblich.
Daher gehen wir mal einige Aussagen durch.
Kaum eine Aussage fachlich richtig
„Die Immenhäuser Lungenfachklinik warnt vor E-Zigaretten und bietet gemeinsam mit einem Suchtberater Kurse zur Tabakentwöhnung an.“
Bereits im Einleitungstext wird Werbung für die Kurse der Klinik gemacht.
„Immenhausen – Große Plakate mit jungen, lächelnden Frauen darauf.“
Ein üblicher Einleitungssatz. Zwar ist die Werbung für E-Zigaretten auf Plakaten noch erlaubt. Aber kein Händler oder Hersteller der Branche hat das Geld, solche Plakatwerbung zu schalten. Wahrscheinlicher ist, dass es sich um ein Plakat des Tabakerhitzers IQOS aus dem Hause Philip Morris International PMI handelt.
Der Unterschied scheint der Redakteurin nicht klar zu sein. Was schon einmal ein Zeugnis für ihre Fachkompetenz ist.
„Die Werbung verspricht Harmonie und Freiheit – und körperliches Wohlbefinden.“
Das wäre bemerkenswert. Denn das ist in Deutschland verboten. Schwer zu glauben, dass PMI sich einen solchen Fauxpas erlaubt.
„Liquid ohne Nikotin ist mit einem geringeren Abhängigkeitspotenzial verbunden“
Dieser Nebensatz ist schlicht aus den Fingern gesogen. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass Dampfen ohne Nikotin irgendein Abhängigkeitspotential hätte. Es wäre auch gar nicht zu erklären. Zumindest nicht mehr, als Schokolade, Monopoly oder Handys. Also alles, was zu einer Verhaltensabhängigkeit führen kann.
Die korrekte Formulierung wäre also nicht ein „geringeres“ Abhängigkeitspotential. Sondern gar keins.
Doch damit nicht genug. Denn der Satz tut ja so, als wäre das Abhängigkeitspotential von Liquids mit Nikotin geklärt. Das ist es aber nicht. Tatsächlich gibt es dazu nicht eine einzige Studie.
Selbst bei Tabakzigaretten ist das kaum beforscht.
Die suchterzeugende Wirkung von Nikotin ohne Tabak konnte in Versuchen nicht nachgewiesen werden. Und es ist weltweit kein Fall dokumentiert, in dem jemand von Nikotinpflastern abhängig geworden wäre. Genau das wird gerade intensiv beforscht. Da man inzwischen weiß, dass Nikotin als Medikament gegen Alzheimer u.ä. eingesetzt werden kann.
Man weiß, dass Tabakzigaretten abhängig machen. Und da es Nikotin nur in Tabak gab, geht man einfach mal davon aus, dass es daran liegt.
Selbst einige Wissenschaftler in dem Bereich sind erschüttert, wenn man das in Frage stellt.
„Die Inhaltsstoffe werden nicht alle angegeben vom Hersteller. So richtig weiß man also nicht, was man da einatmet“
Prof. Dr. Stefan Andreas, HNA, 12.06.2022
Dieses wörtliche Zitat ist schlicht falsch. Man weiß sehr genau, was in den Liquids ist. Denn sie werden behördlich geprüft. Hersteller müssen für jede Mage Rücksteller vorhalten.
Lediglich die Aromastoffe werden nicht öffentlich angegeben. Denn die sind Geheimnis des Herstellers. Auch Coca Cola schreibt nicht auf die Flasche, was im Rezept ist. Das gilt auch für Tütensuppen und Dosenravioli. Herauszufinden wäre es trotzdem sehr leicht.
Und es gibt eine Liste, was nicht drin sein darf: Die Tabakerzeugnisverordnung.
Also entweder hat der Professor auch wenig Ahnung, oder er versucht hier bewusst den Leser zu manipulieren.
„Ob die E-Zigarette so schädlich oder weniger schädlicher für den Körper ist, ist noch nicht bekannt, da fehlen noch langfristige Studien“
Prof. Dr. Stefan Andreas, HNA, 12.06.2022
Das ist ein akademischer Taschenspielertrick. Die geringere Schädlichkeit ist nicht nachgewiesen, weil man nichts beweisen kann, was nicht da ist. Alleine durch den Wegfall der Verbrennung entfallen alle Schadstoffe, die bei Zigaretten als „Teer“ bezeichnet werden. Daher schätzt die britische Gesundheitsbehörde Public Health England die E-Zigarette mindestens 95 Prozent weniger schädlich ein. Mit einem um 99,5 Prozent verringerten Krebsrisiko.
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Joey Hoffmann
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