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Ecig-Anhörung des britischen Parlamentes

Alle Argumente pro Dampfe in zwei Stunden

Soeben ist die Anhörung des britischen Parlamentes zu Ende gegangen. Sechs namenhafte Wissenschaftler haben in zwei Stunden alles vorgetragen, was man über die E-Zigarette wissen muss.
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Die Anhörungen im Commonwealth laufen etwas anders ab als im deutschen Bundestag. Grundsätzlich hat jeder die Möglichkeit, auf eine solche „Inquiry“ (Nachforschung, Untersuchung) schriftlich zu antworten. Darüber hinaus laden die zuständigen dann qualifizierte Experten ein, die vor dem entsprechenden Komitee aussagen können.

Heute hatte das Komitee für Wissenschaft und Technologie (vgl. Bundestagsausschuss) zu der öffentlichen Anhörung eingeladen.
In zwei Runden wurden jeweils drei Wissenschaftler zur E-Zigarette befragt.

Der erste Abschnitt war reserviert, damit sich das Komitee einen Eindruck von der Schädlichkeit der E-Zigarette machen kann. Im zweiten Abschnitt ging es um das Potential der E-Zigarette den Konsumenten beim Rauchstopp helfen zu können.

Gefährlichkeit von E-Zigaretten

E-Zigarette
Von links nach rechts: Prof. Dr. Polosa, Prof. Dr. Connor, Prof. Dr. Hajek

In der ersten Runde saßen der italienische Professor für Innere Medizin Dr. Polosa von der Universität Catania, der Professor für Sozialpsychologie Mark Connor von der Universität Leeds und der aus Prag stammende Professor für Klinische Psychologie Peter Hajek von der Queen Mary Universität in London.

Und damit hatte das Komitee sich tatsächlich wissenschaftliche Schwergewichte eingeladen. Denn alleine Hajek und Polosa haben zusammen inzwischen über 500 wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht und gelten als weltweit renommierte Experten auf dem Gebiet der Tabakkontrolle.
Alle drei arbeiten in ihren Fachbereichen seit Jahrzehnten an dem Thema und inzwischen natürlich auch am Thema E-Zigarette.

Nach fast vier Jahren keine Schäden

So erklärte Dr. Polosa eingangs seine Studie, die er gerade erst veröffentlicht hat. (vapers.guru berichtete, Link unten)
In einer kleinen aber sehr ausgewogenen wissenschaftlichen Studie wurden Dampfer, die vorher nicht geraucht haben, fast vier Jahre lang begleitet und untersucht. Selbst mit CT Scans und anderen diagnostischen Mitteln konnte keine Schädigung durch die E-Zigarette nachgewiesen werden.

E-Zigarette
Prof. Dr. Polosa, Verfasser der ersten klinischen Langzeitstudie

Hajek verwies anschließend auf die sensationelle Studie von Public Health England, wonach E-Zigaretten mindestens 95% weniger schädlich sind als Tabak Zigaretten. Er erklärte den Anhörenden, dass diese 5% „Restrisiko“ sehr hoch gegriffen sind und beispielsweise nur durch eventuelle Schäden durch Aromen oder schädliche Materialien in den Geräten vereinzelt zu begründen sein können. Er selber gehe daher von einem Restrisiko von etwa einem halben Prozent aus.

Passivdampfen gibt es nicht

Auf die Frage nach der eventuellen Schädigung durch das Passivdampfen befragt, erklärte Polosa, dass es das ja in dem Sinne bei der E-Zigarette gar nicht gibt.
Man sei nur durch die Tradition der Tabak Zigarette besorgt, die ja auch weiter verbrenne, wenn man nicht an ihr zieht. (Nebenqualm) Das finde bei der E-Zigarette so aber gar nicht statt.
Zur allgemeinen Belustigung trug seine persönliche Einschätzung bei.

„Ich habe eher Sorgen hier raus zu gehen, zu ihrem Westminster Parlament zu gehen und die Luft dort einzuatmen, als neben einem Vaper zu sitzen der dampft.“
Prof. Dr. Riccardo Polosa, 09.01.2018

„Es gibt nichts rationelles in der TPD.“

Befragt nach dem Sinn und der Rationalität der Regulierungen durch die TPD, wie die Beschränkung auf 20mg und 10ml, antwortete er lapidar „Es gibt nichts rationelles in der TPD.“
Beispielsweise seien die 10ml Beschränkung mit dem Jugendschutz begründet worden. Dies führe aber dazu, dass Dampfer dadurch zu hochdosierten nikotinhaltigen Basen greifen, die dann um ein Vielfaches gefährlicher seien.




Prof. Hajek ergänzte, dass ein Raucher oder Dampfer ja eine bestimmte Menge Nikotin bräuchte. Durch eine Begrenzung aber nicht weniger inhalieren, sondern einfach öfter inhalieren würde.

„Und diese Warnhinweise [auf den Verpackungen, Anm. d. Red.] sind Nonsens.“
Prof. Dr. Peter Hajek, 09.01.2018

Konstruktiv, aufgeschlossen, freundlich

Der Eindruck würde aber täuschen, dass hier Verfechter einen Konfrontationskurs gefahren hätten. Die ganze Anhörung verlief sehr ruhig, sachlich und auf ausgesprochen hohem Niveau. Ein Niveau, wie man es sich im deutschsprachigen Raum bei ähnlichen Diskussionen wünschen würde.

So räumte Polosa auch sofort ein, dass er die Beschränkung auf 20mg nicht für relevant hält. Denn inzwischen hätte man gemerkt, dass durch die neuen Technologien bei den Geräten weniger Nikotin benötigt würde. Bei den Geräten und Lquids der ersten Jahre waren Konzentrationen von 36mg nichts Ungewöhnliches.

Fundamentales Missverständnis zum Nicotin

Nach der enormen Gegenwehr gegen die Dampfe befragt gab Hajek zu bedenken, dass es ein fundamentales Missverständnis zum Nicotin gebe. Polosa führte aus medizinischer Sicht aus, dass Nicotin offiziell keinen Krebs verursacht. Und dass es durch die E-Zigarette zum ersten mal überhaupt möglich sei, die Folgen von Nicotin im menschlichen Organismus sauberer zu untersuchen. Da Tabak bis zu 7000 Chemikalien enthält, die bei der Verbrennung auch noch miteinander reagieren.

„E-Zigaretten sind spektakulär unattraktiv für Nichtraucher.“
Prof. Dr. Peter Hajek, 09.01.2018

E-Zigarette
Prof. Dr. Hajek von der Queen Mary Universität in London

Natürlich ging die Befragung auch auf das Abhängigkeitspotential ein, wozu der Sozialpsychologe Connor sehr zahlenbasiert und versierte antworten geben konnte.
Ebenso auf die geringeren Krebsraten in Skandinavien, wo Konsumenten Snus bevorzugen.

Auf eine skeptische Nachfrage erläuterte Hajek, dass die höheren Krebsraten bei Snus Konsumenten nicht an dem Nicotin liegen müssten, da der Kautabak auch Nitrosamine enthalte. Die Krebsraten seien dennoch viel niedriger als in Ländern, in denen mehr geraucht wird.

Auch wurde ausführlich über die Heat not Burn Geräte gesprochen, doch die Wissenschaftler sagten einhellig, dass sie dafür keine ausgesprochenen Fachleute seien. Dennoch räumten sie den Tabakerhitzern ein hohes Potential an Harm Reduction ein. Sie sahen sie deutlich näher an der E-Zigarette als an der Tabak Zigarette.

Anschauliches Beweismaterial

E-Zigarette
Prof. Polosa erklärt Kokelstudien anhand von „Beweismaterial“

Höhepunkt der Berfragung war dann sicher Prof. Dr. Polosa, der lächelnd verkündete er haben Beweismaterial mitgebracht.

Aus seiner Tasche erschien dann ein Toast. Das „elementar für ein englisches Frühstück ist“. Danach zog er ein verbranntes Toast aus seiner Tasche. Das repräsentiere viele Wissenschaftler und die Medien.
Denn das, so erklärte er, sei das, was viele Wissenschaftler weltweit bei Untersuchungen von E-Zigaretten machen. Weil sie die die Produkte nicht kennen.

Man kann ein Toast toasten, und jeder mag Toast. Man könne es aber auch fünf Minuten im Toaster lassen und verbrennen. Niemand isst solchen Toast. Aber wenn man ihn untersuchen würde, fände man natürlich sehr viele Schadstoffe. Deshalb Toast für gefährlich zu halten wäre eine falsche Schlussfolgerung.
Dieses sehr einleuchtende Beispiel führte zu Heiterkeit aller Beteiligten.
Wissenschaftler müssten E-Zigaretten so untersuchen, wie sie auch genutzt werden.

Nie einen Raucher mit Popcorn Lunge gesehen

Im weiteren Verlauf wurden dann noch einige andere Dinge angesprochen, die in der Diskussion um die E-Zigarette allerdings recht bekannt sein dürften.
Befragt nach der Popcorn Lunge durch Diacetyl stellte Polosa dar, dass die Diskussion um das Risiko durch Diacetyl aufgekommen war, nachdem Arbeiter einer Fabrik für Mikrowellen Popcorn vermehrt die Symptome für eine Popcorn Lunge gezeigt hätten. [Bronchiolitis obliterans, Anm. d. Red.]

Das müsse man aber in ein Verhältnis setzen. Denn diese Arbeiter hätten in fünf Arbeitstagen pro Woche acht Stunden am Tag große Mengen Diacetyl eingeatmet. Er veranschaulichte, warum das nicht auf Dampfer übertragbar sein könne.
Er wies abschließend darauf hin, was viele in der Diskussion gerne vergessen. Nämlich dass Zigaretten weit größere Mengen an Diacetyl enthalten als Liquids. Und er in seiner Laufbahn noch keinen Raucher mit einer Popcorn Lunge getroffen hätte.

Abschließend wurden die drei nach ihrer Einschätzung zu den negativen Meldungen der Medien befragt. Einhelliges Urteil war, dass sie überbewertet und aufgebauscht seien.

Hilft Dampfen beim Rauchstopp?

Für den zweiten Teil nahmen dann die Entwöhnungsexperten auf den Sitzen Platz. Sie bestätigten die Punkte ihrer Vorredner.

E-Zigarette
Dr. Jamie Brown, Stellvertretender Direktor der Tabak und Alkohol Forschungsgruppe des University College London

Der recht junge Dr. Jamie Brown ist bereits stellvertretender Direktor der Forschungsgruppe Tabak und Alkohol des University College London. Professor Paul Aveyard forscht an der Oxford University zu verhaltensmedizinischen Aspekten der Tabakkontrolle und ist Mitherausgeber der The Cochrane Tobacco Addiction Group. Und der aus Deutschland stammende Oxfordstudent und Stipendiat Lion Shahab ist inzwischen Doktor und Dozent für Gesundheitspsychologie am University College London.

Drei Faktoren für falsche Medienmeldungen

So wurde die Frage nach den Medien aus der ersten Runde direkt weiter gegeben.
Dr. Shahab führte dazu sehr eindrücklich aus, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse aus Studien nicht korrekt durch die Medien wiedergegeben werden. Diese suchen nur nach entsprechenden Schlagzeilen. Zur Verdeutlichung nannte er drei Faktoren.

E-Zigarette
Der aus Deutschland stammende Oxford Absolvent Dr. Lion Shahab

Zum Ersten werden die Erkenntnisse unscharf wiedergegeben. Als Beispiel nannte er den Aufmacher, eine Untersuchung hätte eine „Steifigkeit“ von Arterien nach dem Konsum von E-Zigaretten gezeigt. Dies sei aber nichts Sensationelles. Die gleichen Autoren hätten eine solche Steifigkeit bereits nachgewiesen, nachdem Probanden Sport gemacht hätten. Dies sei nicht zwangsläufig ein Indikator für ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkte.

Zweitens würden Meldungen aufgebauscht, beispielsweise der Fund von Formaldehyd im Dampf von E-Zigaretten. Doch die Dosis mache das Gift, und die gefundenen Mengen in den Untersuchungen lassen keine Rückschlüsse auf ein erhöhtes Krebsrisiko zu. (Link zum Clip unten)

Und zum Dritten werden die Untersuchungen selber durch die Medien überhaupt nicht hinterfragt. Denn beispielsweise gibt es sehr viele Modelle, die überhaupt nicht auf den Menschen übertragbar seien. Es wurde das Beispiel von in vitro Versuchen genannt, bei denen menschliche Zellen in Nikotin „ertränkt werden“.

Chance auf Rauchstopp verdoppeln

Zur Frage der Nikotin Ersatz Therapie sagte Prof. Aveyard, dass dies schwer zu belegen sei. Doch von drei möglichen Gruppen aufhörwilliger Raucher – eine Gruppe mit Nikotinkaugummis, eine Gruppe Dampfer und eine Gruppe ohne Hilfsmittel – scheinen die Dampfer ihre Chancen aufzuhören durch die E-Zigarette zu verdoppeln.


Aufzeichnung der Anhörung: http://parliamentlive.tv/Event/Index/34a39b5d-0a5d-44dc-b622-c4fb258b452f
Langzeitstudie durch Polosa: https://www.vapers.guru/2017/11/22/langzeitstudie-keine-schaeden-durch-e-zigarette/
95% Studie durch Public Health England: https://www.vapers.guru/die-studie/
Gegenüberstellung Formaldehyd in E-Zigaretten: https://youtu.be/YvAg1tte2tQ

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Joey Hoffmann

Begründer und inhaltlich Verantwortlicher bei vapers.guru
Freier Redakteur, zuvor angestellter und selbstständiger Marketingberater und Mediengestalter, Fachbereich Facebook und Wordpress. Mitglied des Deutschen Fachjournalisten-Verbandes.

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